Bakterien sind nicht nur überall, jetzt ist auch klar warum: Sie können sich offenbar durch nahezu jede Engstelle hindurch quetschen. In Versuchen niederländischer Forscher drangen sie selbst durch extrem flache Nanoschlitze, indem sie eine neue, flache Form annahmen. Die Bewegung erfolgte dabei nicht durch Schwimmen, sondern durch Wachstum und Teilung, wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS) berichten.
Um Keimfreiheit zu erreichen, werden im Wasser und für Luft häufig Filter eingesetzt. Doch wie fein müssen diese sein, damit auch sicher keine Mikrobe mehr hindurch gelangt? Um zu testen, welche Hindernisse Bakterien noch durchdringen können, haben Wissenschaftler des Kvali Instituts für Nanowissenschaften der TU Delft Versuche mit den verbreiteten Bakterienarten Escherichia coli und Bacillus subtilis durchgeführt.
Minikanal als Testpassage
Die Forscher verbanden zwei Bakterienkammern auf einem Siliziumchip mit jeweils einem winzigen Kanal von 50 Mikrometern Länge. Den Durchmesser dieses Verbindungsweges variierten sie vom Mikrometerbereich bis hin zu Nanometerdicken, bis nur noch ein ultraschmaler Spalt übrig blieb. Um die Bakterien beobachten zu können, pflanzten sie ihnen ein Gen ein, das sie fluoreszieren ließ. Mithilfe eines Spezialmikroskops war sowohl Form als auch Bewegung der Mikroben so deutlich sichtbar.
Unter normalen Umständen bewegen sich die Bakterien schwimmend fort. Diese Fortbewegungsform behielten sie auch bei, wenn sie den schmalen Kanal passierten. Selbst in Kanälen, die nur noch 30 Prozent dicker waren als ihre eigene Zellgröße von rund einem Mikrometer schwammen sie genau so aktiv wie in freiem Umfeld.
Fortbewegung durch Teilung und Wachstum
Doch als die Wissenschaftler die Passage noch weiter bis in den Nanometerbereich verengten, geschah Erstaunliches: Die Bakterien hörten auf zu schwimmen und änderten sowohl Körper- als auch Bewegungsform. Sie wurden extrem flach und überwanden den Kanal, indem sie gezielt in Richtung des anderen Endes wuchsen und sich dabei teilten. Auf diese Weise durchdrangen die Mikroben sogar noch Engstellen, die nur die Hälfte ihres Körperdurchmessers maßen.
„Das hat uns völlig überrascht“, erklärt der Post-Doc Jaan Männik. „Die Bakterien werden ganz flach und nehmen ganz seltsame Formen an, sowohl im Kanal als auch wenn sie wieder draußen sind. Das wirklich erstaunliche ist aber, dass sie in den Kanälen – und damit unter extremer Enge – weiter wachsen und sich mit normaler Geschwindigkeit teilen. Offenbar ist ihre Form für diese Aktivitäten nicht entscheidend.“
Neuer Phänotyp verbreiteter als angenommen
Nach Ansicht der Forscher bilden die „flachen“ Bakterien einen ganz neuen Phänotyp, der weitaus verbreiteter sein könnte als angenommen. Das hat direkte Konsequenzen beispielsweise für Membranfilter in der Wasseraufbereitung oder für medizinische Anwendungen wie Herzschrittmacher und andere Implantate, die in ultrareiner Umgebung hergestellt werden müssen.
Die Ergebnisse liefern aber auch fundamentale Hinweise auf das Verhalten von Bakterien, die von Natur aus in Umgebungen im Nanometermaßstab leben, wie beispielsweise Mikroorganismen im Untergrund. In der so genannten „Tiefen Biosphäre“ soll sogar der Großteil der mikrobiellen Biomasse der Erde leben – inmitten der von nur Mikrometer großen Lücken im Gestein.
(Delft University of Technology, 19.08.2009 – NPO)