Ein Molekül in der Form eines löchrigen Fussballs spielt eine entscheidende Rolle in unserem Auge. Denn dieses kleine Hitzeschockprotein bewahrt die großen Proteine der Augenlinse davor, zu verklumpen und so die Linse im grauen Star einzutrüben. Eine jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Science“ (PNAS) erschienen Studie wirft ein neues Licht auf die Struktur und Arbeit dieser Schutzmoleküle und könnte auch dazu beitragen, neue Therapien zu finden.
Die Zelle verfügt über vielfältige Proteinkomplexe, die lebenswichtige Aufgaben bewältigen. Die Funktionen dieser „molekularen Maschinen“ hängen wesentlich von ihrer räumlichen Struktur ab. Die Linse im menschlichen Auge besteht aus einer hochkonzentrierten Mischung gleich mehrerer Eiweiße. Eiweiße oder Proteine sind lange Ketten von Aminosäuren, vergleichbar einem langen Wollfaden.
So genannte Chaperone, zu Deutsch „Anstandsdamen“, helfen, dass sie sich nach ihrer Produktion in die gewünschte dreidimensionale Form falten. Versagt diese Faltung, so wird aus dem Proteinfaden ein unentwirrbares, wertloses Knäuel. Im Falle des Auges trübt sich die Linse; der Patient bekommt „Grauen Star“. Zwei Arbeitsgruppen des Department Chemie der Technischen Universität München (TUM) haben nun erfolgreich die molekulare Architektur eines solchen Schutzproteins aufgeklärt.
Hitzeschockproteine gegen das Verklumpen
Eine besonders wichtige Gruppe der Chaperone sind kleine Hitzeschockproteine (sHsps). Sie verhindern das Verklumpen von Proteinen unter Stressbedingungen. αB-Crystallin und das verwandte αA-Crystallin sind die prominentesten Vertreter der kleinen Schutzproteine beim Menschen. Während αA-Crystallin im Wesentlichen in der Augenlinse vorkommt, ist αB-Crystallin auch im Gehirn sowie im Herz- und Muskelgewebe besonders häufig anzutreffen. In der Augenlinse wirken sie Krankheiten wie dem grauen Star entgegen. Fehlfunktionen von αB-Crystallin in Gewebezellen können zu Krebs und neurologischen Defekten wie Alzheimer führen.
Wegen ihrer medizinischen Relevanz stehen die α-Crystalline im Mittelpunkt des Interesses vieler Wissenschaftler. Trotz intensiver Bemühungen konnte jedoch die molekulare Architektur dieser Proteine bisher nicht ermittelt werden. Am Lehrstuhl für Biotechnologie der TU München gelang es nun αA- und αB-Crystalline in Bakterien rekombinant herzustellen und einheitliche, klar strukturierte Komplexes zu gewinnen. Diese wurden in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Elektronenmikroskopie des Chemie Departments einer detaillierten Strukturanalyse unterzogen.
„Löchriger Fussball“ als Schutz
Die Wissenschaftler konnten dabei erstmals zeigen, dass αB-Crystallin entgegen früherer Annahmen eine definierte, kugelige Struktur aus 24 Untereinheiten bildet, die an einen löchrigen Fußball erinnert. Durch die Ermittlung der dreidimensionalen Struktur des αB-Crystallins, die derzeit verfeinert wird, ist nun die Grundlage geschaffen, gesunde und krankheitsfördernde Mutanten zu vergleichen und so deren Funktionsweise aufzuklären. Die Wissenschaftler hoffen, auf diese Weise neue Therapieansätze zu finden.
(Technische Universität München, 28.07.2009 – NPO)