Wer nicht davonlaufen kann, muss sich zu verteidigen wissen: Pilze produzieren chemische Abwehrstoffe gegen Fraßfeinde, Parasiten und Konkurrenten. Der grüne Knollenblätterpilz schützt sich mit alpha- Amanitin, der Fliegenpilz mit dem Nervengift Muscimol. Jetzt haben Forscher entdeckt, dass bei einigen Pilzen das jeweilige Gift erst dann entsteht, wenn jemand dem Pilz an den Kragen geht. Die Juli- Ausgabe der „Nachrichten aus der Chemie“ berichtet davon.
Eine Pflanze kann sich gegen Fraßfeinde verteidigen, indem sie permanent einen Abwehrstoff produziert oder indem sie ihn erst dann bildet, wenn Gefahr droht. Der Vorteil dieser letzten Strategie: Die Pflanze muss sich nicht ständig gegen ihren eigenen Giftstoff schützen. Der Nachteil: Es dauert einige Stunden, bis die Pflanze von dem Schutz profitiert – in dieser Zeit hat ihr letztes Stündchen möglicherweise bereits geschlagen.
Der Kompromiss zwischen beiden Extremen ist ein verwundungsaktivierter Mechanismus: Der Organismus produziert ständig harmlose Vorstufen eines Giftstoffs, beispielsweise Blausäureglykoside. Wird er mechanisch verletzt, setzt er Enzyme frei; diese spalten die Vorstufe und nahezu sofort entsteht Blausäure.
So setzt die Orangefarbene Mehlscheibe, ein stecknadelkopfgroßer Rindenpilz, Blausäure frei, wenn ihr Fruchtkörper verletzt ist. Der intakte Fruchtköper enthält dagegen nur einen ungefährlichen Blausäureether. Der Weißmilchende Helmling wiederum sondert bei Verletzung einen weißen Milchsaft mit einem Fungizid ab, das Pilzkonkurrenten tötet.
Giftige Pilze kennt man seit Jahrhunderten – Pilze, die Giftstoffe bei Verwundung freisetzen, erst seit einigen Jahren. Der Chemiker Peter Spiteller hat erforscht, mit welchen Strategien sich Pilze verteidigen können – und warum es auf diesem Gebiet noch so einige Geheimnisse zu lüften gibt.
(Gesellschaft Deutscher Chemiker, 24.07.2009 – NPO)