Die Glasknochenkrankheit äußert sich durch extrem zerbrechliche Knochen und Zähne. Diese Erbkrankheit tritt bei Menschen und Hunden auf und wird durch schadhafte Kollagen-Gene verursacht. Jetzt haben Wissenschaftler jedoch beim Dackel ein weiteres defektes Gen entdeckt. Auch beim Menschen könnte dies bei einer besseren Diagnose und Therapie der Krankheit helfen.
Die Glasknochenkrankheit (Osteogenesis imperfecta) ist eine seltene Erbkrankheit, die bei Menschen und Hunden auftritt. Etwa sechs bis sieben Personen von 100.000 sind weltweit betroffen. Die Ursache liegt in einer Fehlbildung des Kollagens Typ 1, dem wichtigsten Protein für den Aufbau und die Elastizität der Knochen. Das Hauptmerkmal der Krankheit sind daher extrem brüchige Knochen. Die Krankheit wird manchmal von weiteren Komplikationen begleitet, darunter einer Blaufärbung der Augen-Lederhaut, Schwerhörigkeit, Kleinwuchs oder einer defekten Zahnentwicklung.
Bei Hunden müssen die betroffenen Tiere normalerweise eingeschläfert werden. Beim Menschen gibt es unterschiedlich schwere Formen – mit tödlichem Ausgang, schwerer Behinderung oder einem leichteren Verlauf. Die Krankheit wird unter anderem medikamentös behandelt, indem die Knochendichte erhöht und dadurch die Brüchigkeit vermindert wird.
Weiteren Genschaden entdeckt
Sowohl beim Menschen als auch beim Hund wird die Glasknochenkrankheit hauptsächlich durch Schäden an zwei Genen verursacht, die für die Herstellung von Kollagen verantwortlich sind. Kollagen ist das häufigste Protein im menschlichen und tierischen Körper und verleiht den Knochen ihre Elastizität. Nun wurde bei Dackeln ein weiteres Gen identifiziert, welches für die korrekte Bildung von Kollagen benötigt wird. Ein Defekt dieses Gens führt bei den Tieren zur Glasknochenkrankheit. Dies hat ein internationales Forscherteam um Professor Tosso Leeb vom Institut für Genetik der Universität Bern herausgefunden.
Da bei Hunden und Menschen die Krankheit sehr ähnlich verläuft, könnten Mutationen in dem neu entdeckten Gen auch beim Menschen ein Auslöser sein. Die Resultate der Studie werden nun im Fachjournal „PLoS Genetics“ publiziert.
Beschädigte Protein-“Anstandsdamen“
Proteine wie das Kollagen müssen sich erst zu einer spezifischen Struktur falten, um ihre Funktion wahrnehmen zu können. Helfer-Proteine, sogenannte Chaperone (engl. Anstandsdamen), unterstützen sie dabei. Ihre Bezeichnung rührt daher, dass Chaperone das unreife Protein vor schädlichen Einflüssen schützen. Je komplexer die Struktur eines Proteins, desto höher die Gefahr einer unkorrekten Faltung und somit einer Fehlfunktion.
Weisen nun die Chaperone des Kollagens selber Defekte auf oder fehlen sie ganz, wird das Kollagen nicht fertig ausgebildet, worauf die Knochen brüchig werden. Genau eine solche Ursache für defekte Kollagen-“Anstandsdamen“ haben die Forscherinnen und Forscher nun entdeckt: Eine Suche nach Auffälligkeiten in den Genen von fünf Dackeln mit schwerer Glasknochenkrankheit ergab, dass alle im selben Gen eine Mutation aufwiesen – was zur Folge hat, dass ein bestimmtes Helfer-Protein für Kollagen nur verkümmert ausgebildet wird.
Haustierforschung statt Tierversuche
Die besonderen Familienstrukturen von Rassehunden mit grossen Würfen und präzise dokumentierten Verwandtschaftsverhältnissen über viele Generationen erleichtern die Suche nach krankheitsauslösenden Mutationen. „Das funktioniert in der Tat bei Hunden besser als bei Menschen“, erklärt Tosso Leeb vom Institut für Genetik. „Die Resultate sind ein eindrückliches Beispiel, wie die Forschung an Haustieren – ohne belastende Tierversuche – wichtige Erkenntnisse zum Wohle von Menschen und Tieren liefern kann.“
Laut den Forscherinnen und Forschern bedeute das neu entdeckte Gen für die Dackel, dass man die Tiere nun testen und die Zucht weiterer betroffener Dackel vermeiden kann. „Bei menschlichen Patienten, bei denen bisher keine Mutationen in den bekannten Kollagen-Genen gefunden wurden, könnten Mutationen in diesem Gen der Auslöser für die Glasknochenkrankheit sein“, so Leeb. Dies müsse für die Diagnostik und therapeutische Strategie künftig berücksichtigt werden.
(Universität Bern, 24.07.2009 – NPO)