Geowissen

Katastrophaler Erdrutsch im ehemaligen Tagebau

Ursachen des Unglücks von Nachterstedt noch nicht geklärt

Blick auf den Ort des Erdrutsches © Ingo Diron / cc-by-sa 3.0

In Nachterstedt in Sachsen-Anhalt löste sich am Samstag früh ein Erdrutsch an der Kante eines Tagebausees und riss zwei Häuser und drei Menschen in die Tiefe. Die hundert Meter in die Tiefe stürzenden Erd- und Trümmermassen lösten eine Flutwelle im See aus. Die Ursachen dieser Katastrophe im ehemaligen Tagebaugebiet sind bisher noch nicht geklärt.

Der Ort Nachterstedt liegt in der Nähe von Quedlinburg südwestlich von Magdeburg. Hier wurde bereits seit dem 19. Jahrhundert Braunkohle im Tagebau gefördert. In den 1930er Jahren schüttete man einen Teil des Abbaugebiets zu und errichtete Siedlungen für Bergleute auf diesem Untergrund. Der Tagebau in der Region hielt aber bis 1990 weiter an. Während der Kohleförderung wird Grundwasser in den offenen Gruben abgepumpt, die bis zu 100 Meter tief sind.

Nach der Beendigung des Bergbaus steigt das Grundwasser in den Tagebaulöchern durch das Abstellen der Pumpen wieder an, zusätzlich werden Gruben auch mit Flusswasser geflutet. Es entstehen künstliche Seen mit meist sehr steilen, hohen Ufern. Auch die betroffene Siedlung liegt unmittelbar an einer Abbruchkante, rund 100 Meter über dem Ufer des in einem Tagebauloch künstlich angelegten Concordia-Sees.

Erdmassen reißen ein Haus und drei Menschen mit sich

Um 05.00 Uhr morgens dann die Katastrophe: Nach heftigen Regenfällen löste sich auf einer Länge von 350 Metern der Hang und kam ins Rutschen. Mehr als eine Million Kubikmeter Erdreich stürzten in die Tiefe und riss ein Doppelhaus sowie einen Teil eines Einfamilienhauses mit sich in die Tiefe. Die Bewohner, ein älteres Ehepaar, sind bis heute vermisst, die Hoffnung auf eine Rettung schwindet zusehens. Auch ein Nachbar der Familie wurde offenbar mit in die Tiefe gerissen. Auch die Straße und ein Aussichtspunkt wurden durch den Erdrutsch zerstört.

Der Einschlag der Erd- und Trümmermassen im See löste eine Flutwelle aus, die einen am Seeufer ankernden Ausflugsdampfer ans andere Ufer schleuderten und die Anlegestelle unter meterdickem Schlamm begruben. Christian Sladek vom Landesamt für Geologie und Bergwesen sprach am Samstag auf einer Pressekonferenz von einem „Mini-Tsunami“.

Weitere Risse

Und die Gefahr ist noch nicht gebannt: Wie der Sprecher der Lausitzer- und Mitteldeutschen Bergbauverwaltungsgesellschaft (LMBV), Uwe Steinhuber, heute im ZDF-Morgenmagazin berichtete, seien weitere Risse an der Unglückstelle aufgetreten. Noch hängt ein Gebäude halb am Hang und könnte dann auch ganz abstürzen. 42 Einwohner der Siedlung dürfen noch nicht in ihre Häuser zurückkehren, die Gefahr weiterer Rutsche oder Senkungen ist zu groß. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) erklärte am Sonntag: „Es ist derzeit nicht erkennbar, dass der Teil des Ortes in absehbarer Zeit wieder bewohnt werden kann.“

Ursache bisher unklar

Zur Ursache des Unglücks kursieren zwar zahlreiche Hypothesen, die Experten waren allerdings vor voreiligen Schlüssen. Noch seien die Untersuchungen der Unglücksursachen nicht abgeschlossen. Während einige die Instabilität des gefluteten Tagebaus verantwortlich machen, sehen andere in den heftigen Regenfällen den Auslöser der Katastrophe. Die Durchnässung des Untergrunds könne dann ein so genanntes Setzungsfließen auslösen. Dabei werde der Boden in kurzer Zeit zu einem instabilen Brei, der den Hang hinabfließt.

Das Unglück ist nicht das erste seiner Art: Schon in den 1950er Jahren war es in diesem Ort zu einem Erdrutsch gekommen, der allerdings weniger dramatische Folgen hatte. Allerding starb auch damals ein Mensch. Die Lausitzer und Mitteldeutsche Braunkohleverwaltung (LMBV) schließt aber ähnliche Fälle an anderen gefluteten Tagebauen aus. Es handle sich hier um ein „außergewöhnliches tragisches Ereignis“, so der Sprecher Uwe Steinhuber.

(dpa, ddp, ap, 20.07.2009 – NPO)

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