Archäologie

Uralte Steinzeitbauten dienten als Sternenkalender

Funktion von Europas ältesten Monumentalbauten in Österreich aufgedeckt

Aufgang der Plejaden im Tor der Kreisgrabenanlage Immendorf © Universität Wien

Rund 50 Kreisgrabenanlagen in Niederösterreich gehören zu Europas ältesten Monumentalbauten: Sie wurden zwischen 4.800 und 4.500 v. Chr. erbaut und genutzt – wofür, ist bis heute noch nicht eindeutig geklärt. Eine der vielen Hypothesen über ihre Rolle im Leben der Steinzeitmenschen haben Wiener Wissenschaftler jetzt aber bestätigt: Einige der Bauten dienten offenbar als Sonnen- oder Sternenkalender.

In einem laufenden Projekt sollen nach Angaben der Forscher nun alle bekannten Kreisgrabenanlagen im Hinblick auf diese „Kalenderfunktion“ hin untersucht werden.

Stonehenge war später

Zur Zeit der mittelneolithischen Kreisgrabenanlagen in Niederösterreich steckte Stonehenge noch in den Kinderschuhen: Die komplexen, von einem tiefen Graben umgebenen Monumentalbauten wurden rund 2.000 Jahre vor dem berühmten britischen Steinkreis errichtet.

Allerdings aus einem vergänglicheren Material: Holz. Längst haben Witterung und jahrtausendelanger Ackerbau ihre Spuren in der Landschaft verwischt. Trotzdem kann man die rätselhaften Bauten heute wieder betreten – und zwar virtuell: Ein Team um den Archäologen Wolfgang Neubauer und den Astronomen Georg Zotti von der Interdisziplinären Forschungsplattform Archäologie (VIAS) der Universität Wien hat die steinzeitlichen Kreisgrabenanlagen 1:1 am Computer nachgebaut.

Für diese virtuellen Rekonstruktionen dienen nicht nur archäologische Ausgrabungen und magnetische Prospektionen, die bereits 2003 und 2004 durchgeführt wurden, sondern auch die Simulation des Sternenhimmels vor 6.500 Jahren. Denn in ihrem Forschungsvorhaben „ASTROSIM“ wollen Neubauer und Zotti durch die Kombination von archäologischen und astronomischen Daten mittels Computersimulation aufzeigen, dass die Kreisgrabenanlagen neben den vermuteten soziokulturellen und religiösen Funktionen auch als eine Art steinzeitlicher Kalender dienten.

Virtuelle Rekonstruktion der Kreisgrabenanlage Steinabrunn © Universität Wien

Neolithischer Kalender?

Für eine mögliche soziale oder religiöse Nutzung der Bauten, etwa als Platz für Versammlungen oder Wettkämpfe, Übergangs- und Initiationsrituale oder bestimmte Feste im Jahreskreis, spricht nach Angaben der Forscher, dass zwischen 4.800 und 4.500 v. Chr. jede Siedlung in Niederösterreich eine Kreisgrabenanlage ihr Eigen nannte – „in etwa so, wie heute jedes niederösterreichische Dorf eine Kirche oder ein Vereinshaus besitzt“, erklärt Neubauer.

Dass die Ausrichtung der Tore mit dem Auf- oder Untergang von Sonne, Mond oder Sternen an bestimmten Tagen im Jahr zusammenhängen könnte – eine Hypothese, die schon seit Beginn der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Monumentalbauten in den 1970er Jahren im Gespräch ist -, hielt der Archäologe zunächst für unwahrscheinlich: „Wir haben in Niederösterreich fast 50 Kreisgrabenlagen mit Toren in alle möglichen Richtungen – ich dachte mir, da geht doch immer zufällig irgendwo etwas auf oder unter.“

Archäoastronomische Computersimulation

Hier kommt die Astronomie ins Spiel: Um die Kalender-These zu untermauern – oder aber endgültig zu falsifizieren -, musste Zotti zunächst mit Hilfe astronomischer Computerprogramme den Sternenhimmel zurückrechnen: „Denn die Position der Sterne verschiebt sich im Laufe der Jahrhunderte“, so der Astronom.

Er hat im Vorfeld des Projekts bereits 28 Anlagen untersucht – und dabei überraschend signifikante Übereinstimmungen gefunden: „Bei etwa einem Drittel der Bauten weisen jeweils zwei Tore in die exakt gleiche Richtung.“

Startschuss für die Frühjahrs-Aussaat?

Für einige dieser Tore wurden Zottis astronomische und Neubauers archäologische Daten bereits in der Computeranimation zusammengeführt. Das Ergebnis war eindeutig: Jeweils eines der Tore markiert den Aufgang des Siebengestirns (Plejaden), das andere den fast gleichzeitigen Untergang des Sterns Antares.

Kalendarisch interessant ist dieses Ereignis vor allem als so genannter „heliakischer Aufgang“ am frühen Morgen wenige Tage nach Frühlingsbeginn. „Gab der Himmel damit ‚grünes Licht‘ für die Frühjahrs-Aussaat?“, spekuliert Zotti. Andere Tore markieren offenbar, wie schon früher behauptet, markante Sonnenauf- und Untergänge, etwa die Sonnwenden.

Noch dreimal schlafen, dann wird gefeiert

„Die Menschen konnten sich damals also ausrechnen, wie viele Sonnenuntergänge noch bis zur nächsten großen Party fehlen“, umschreibt Neubauer eine andere mögliche Funktion des Kalenders. Denn der Archäologe vertritt nach wie vor die Ansicht, dass die Eignung als Sonnen- bzw. Sternenkalender nur einen Zusatz zur eigentlich soziokulturellen Bedeutung der Anlagen darstellt: „Wenn es nur um die Bestimmung von Daten gegangen wäre, hätten zwei Pflöcke im Boden gereicht“, sind sich beide Wissenschaftler einig.

(idw – Universität Wien, 16.06.2009 – DLO)

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