Zoologie

Tierwanderungen sind out

Schrumpfende Bestände und verbaute Zugwege schuld an Verhaltensänderungen

Gnus im Serengeti Nationalpark, Tansania © Remi Jouan / GFDL

Ob Gnus in der Serengeti oder Karibus in Nordamerika – viele Tiere legen auf ihren jährlichen Wanderungen riesige Distanzen zurück. In einer jetzt in der Fachzeitschrift „Endangered Species Research“ veröffentlichten Studie kommen Wissenschaftler aber zu dem Schluss, dass diese Wanderungen von Landsäugetieren zunehmend verschwinden oder zumindest deutlich kleiner werden.

Tiere wandern, um bessere Nahrungsgebiete zu besuchen oder optimale Regionen für die Geburt der Kälber aufzusuchen. Rund 2.000 Kilometer läuft dabei beispielsweise ein Gnu während einer solchen Reise durch die Serengeti, doch die Gnus sind nicht die einzigen, die riesigen Strecken zurücklegen, weltweit gibt – oder vielmehr gab – es große Wanderungen von Tieren.

Studie liefert erschreckendes Ergebnis

Dennoch wissen wir bei den großen Landsäugetieren erstaunlich wenig über die Migrationen. Viele Forscher jedenfalls, die sich mit dem Thema beschäftigen, sind in großer Sorge darüber, dass wandernden Tieren zunehmend ihre Routen abgeschnitten werden.

Grant Hopcraft und Simon Thirgood von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt haben nun gemeinsam mit Grant Harris vom American Museum of Natural History, Joel Berger von der Wildlife Conservation Society und Joris Cromsigt vom Mammal Research Institute, Polish Academy of Sciences, die verfügbaren Daten zu den Wanderungen großer landlebender Säugetierarten genauer untersucht. Ihr Ergebnis ist erschreckend: außer den Gnus in der Serengeti, den Weißohr-Kobs im Südsudan und den Karibus in Nordamerika haben alle Migrationen signifikant abgenommen, viele sind ganz verschwunden.

Erforschung der Migration der Weißbartgnus in der Serengeti © Zoologische Gesellschaft Frankfurt

24 „Wandervögel“

Von 24 Arten oder Unterarten weiß man, dass sie wandern beziehungsweise in der Vergangenheit gewandert sind. Allesamt sind Huftiere. Sechs dieser Wanderungen – Springbock, Weißschwanzgnu, Blessbock, Kulan, Säbelantilope und Quagga – sind mittlerweile verschwunden, im Falles des Quaggas inklusive der Art selbst. Für viele andere ist relativ wenig über die zurückgelegten Distanzen, Populationsgrößen und Routen bekannt.

Neun große Wanderungen finden in Afrika statt, die der Gnus in der Serengeti ist die einzige auf dem Kontinent die sich in einem Schutzgebiet befindet. Sechs Migrationen gibt es noch in Eurasien und vier in Nordamerika. In Südamerika und in Australien gibt es keine großen Wanderungen von Landsäugetieren.

Vier Faktoren als treibende Kräfte

Große Strecken zurückzulegen ist energieaufwändig und muss sich für eine Art lohnen. Harris und seine Kollegen haben vier Faktoren als treibende Kräfte identifiziert. Da wäre zunächst die Verfügbarkeit von Futter und von Wasser. Aber auch traditionelle Gebietsnutzung ist ein Argument für Tiere zu wandern, ebenso wie die Schneetiefe.

Die Tiere wandern aus Regionen mit schlechter Nahrungsverfügbarkeit in Gebiete wo das Futter nahrhaft, gut zugänglich und ausreichend vorhanden ist. Die meisten Wanderer suchen nach frischem Gras. Und ob frisches Gras sprießt, hängt davon ab, ob es feucht genug ist – in der afrikanischen Savanne beispielsweise nach Regenfällen, in den Steppen Eurasiens oder der Tunda Nordamerikas etwa nach der Schneeschmelze. Für die Wanderer in Nordamerika und Eurasien, die Bisons, Elche oder Karibus, stellt die Schneetiefe einen entscheidenden Faktor für die Wanderung da, der sie zwingt, in tiefere Lagen oder niedrigere Breiten zu ziehen.

Schrumpfende Bestände, verbaute Zugwege

Zwei Hauptgründe gibt es, warum die eindrucksvollen Migrationen gerade zunehmend von unserem Planeten verschwinden. Zum einen hören Tiere auf zu wandern, wenn ihre Bestandszahlen schrumpfen, zum anderen wird den Migrationen vermehrt der Weg abgeschnitten, indem die Zuggebiete verbaut, landwirtschaftlich genutzt, mit Zäunen versehen und besiedelt werden.

Daher appellieren die Forscher, die Zugrouten der Wanderer zu sichern und das Bewusstsein vor Ort zu stärken, damit diese spektakulären Ereignisse im Tierreich nicht ein für alle mal verloren gehen.

(idw – Zoologische Gesellschaft Frankfurt, 03.06.2009 – DLO)

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