Welcher Torwart hat die besten Haltefähigkeit bei einem Elfmeter? Hinter dieser scheinbar so trivialen Frage steckt mehr als man denkt. Das zeigte sich, als ein Team von Mathematikern und Statistikern den Elfmeterkiller ermittelte. Mit reichlich angewandter Mathematik erstellten sie aus 280 Torhütern der Bundesligageschichte eine Rangliste.
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23 Elfer hielt Rudolf Kargus im Laufe seiner Bundesligakarriere. Das ist Rekord. Doch ist er damit wirklich der Elfmeterkiller in der Bundesligageschichte? Schließlich hat er auch mehr Elfmeter durchgelassen, als fast jeder andere Liga-Torhüter. Und vielleicht hatte er ja einfach besonderes
Glück, da er gegen besonders viele schlechte Elfmeterschützen antreten konnte.
Über die individuelle Haltefähigkeit gibt auch die einfache Haltequote keine Auskunft. So wäre dann beispielsweise Karl Eisenhofer der Elfmeterkiller schlechthin, immerhin konnte er 100 Prozent seiner Elfmeterduelle für sich entscheiden – allerdings sah er sich bei seinen zwei Bundesligaeinsätzen für Eintracht Frankfurt auch nur einmal mit einem Elfmeter konfrontiert, den er prompt hielt. Aber ist er damit besser als beispielsweise Jean-Marie Pfaff, der bei elf Strafstößen immerhin eine Quote von 55 Prozent gehaltenen Elfmetern aufweisen kann?
280 Torhüter und ihre individuelle Haltefähigkeit
Ein Statistiker-Team der TU Dortmund hat jetzt im Rahmen eines Projekts eine „faire“ Bestenliste erstellt. Diese Liste berücksichtigt die tatsächliche individuelle Haltefähigkeit der 280 Torhüter der Bundesligageschichte. 3.828 Elfmeter nahmen Professor Katja Ickstadt, Björn Bornkamp und Arno Fritsch von der Fakultät Statistik der TU Dortmund unter Mitarbeit ihres Kollegen Oliver Kuß vom Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik der Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg unter die Lupe. Das sind sämtliche Elfmeter der Saisons 1963/64 bis 2007/08. 264 Fehlschüsse oder Pfostentreffer wurden nicht untersucht, schließlich interessierten sich die Statistiker für die Torwarteffekte.
Zur Lösung dieses Problems wandten die Dortmunder Statistiker eine Erweiterung des so genannten logistischen Regressionsmodells an. Dieses komplexe mathematische Verfahren ermöglicht es, bei der Errechnung der individuellen Halte-Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen, wie viel Information für jeden Torhüter vorliegt. Dabei gehen die Statistiker von der Grundannahme aus, dass die Haltefähigkeiten aller Torhüter normalverteilt sind. Über Torhüter, die an wenigen Elfmetern beteiligt waren ist nicht viel bekannt. Daher liegt ihre errechnete Haltefähigkeit nahe am Mittel aller Torhüter.
Saison und Heimvorteil ohne Einfluss
Für Torhüter, die an vielen Elfmetern beteiligt waren liegt jedoch mehr Information vor, so dass für diese Torhüter Halte- Wahrscheinlichkeiten sich ihrer tatsächlich beobachteten Haltequote nähern. Zusätzlich fließt in die „Elfmeterkillerformel“ die Stärke des Schützen mit ein. Ein weiterer Vorteil
dieser Formel: Die Forscher haben auch die Möglichkeit, Faktoren wie die jeweilige Saison (Vielleicht waren die Elfmeter früher leichter zu halten?) oder den Heimvorteil (hat dieser eine Relevanz für den Elfmeter) mit zu betrachten.
Und die Ergebnisse? Zunächst einmal konnten die Statistiker feststellen, dass Saison und Heimvorteil keinen Einfluss auf die Haltewahrscheinlichkeit haben. Elfmeter zu halten ist also schwer wie eh und je, unabhängig davon, ob der Torwart auswärts oder zu Hause zwischen den Pfosten steht.
Rudolf Kargus als bester Elfmeterkiller ermittelt
Auch nach der „fairen“ Ranking-Methode der Dortmunder Statistiker kann Rudolf Kargus den Titel für sich beanspruchen. Nationalkeeper Robert Enke folgt auf Platz zwei. Interessant für Joachim Löw: Tim Wiese landet mit Platz 98 im Mittelfeld. Somit scheint in punkto Elfmeter der Kampf um die Torhüterposition im Nationalteam entschieden – zumindest aus Sicht der Statistik. Auch Jens Lehmann sollte sich keine Hoffnung auf statistische Schützenhilfe bei der Rückkehr in die Nationalelf machen – er landet abgeschlagen auf Platz 233. Drittbester Elfmeterkiller der Bundesligageschichte ist Andreas Köpke.
Und die „rote Laterne“? Drittschlechtester Torhüter in Bezug auf den Elfmeter ist Jürgen Rynio. Zwischen 1969 bis 1972 Torwart von Borussia Dortmund. Auf dem vorletzten Rang: Walter Junghans. In seiner Karriere war dieser zweimal Nachfolger von Sepp Maier. 1979 als Bayern-Keeper und 2008 als Bayern Torwarttrainer. In Bezug auf Elfmeter liegt er jedoch vor ihm, denn ausgerechnet Deutschlands Torhüter des Jahrhunderts landet beim Elfmeterkillerranking der Dortmunder Statistiker auf dem letzten Rang.
(Technische Universität Dortmund, 28.05.2009 – NPO)