Die Zulassung überschwerer und überlanger Lkw auf europäischen Straßen ist kein Instrument für den Klimaschutz. Dies hat jetzt eine neue Studie eines internationalen Forscherkonsortiums gezeigt, die die langfristigen Einflüsse solcher Megatrucks auf die Klimabilanz analysierte. Danach ergeben sich keine positiven Einflüsse auf die CO2-Emissionen im Straßenverkehr, weil die Gefahr besteht, dass große Mengen von Gütern vom Schienenverkehr auf die Straße verlagert werden.
Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zur allgemeinen Annahme, dass zwei Megatrucks drei Standard-LKWs ersetzen würden, wodurch sich deren schädliche Umwelteinflüsse verringern. Letztere Position wird in einer von der Europäischen Kommission finanzierten Studie zur Erweiterung von Lkw-Gewicht und -Abmessungen vertreten, die zu durchweg positiven Ergebnissen des Konzepts kommt. Lediglich einige geringfügige Probleme wie Transportsicherheit und Tauglichkeit der Straßeninfrastruktur werden kritisch betrachtet.
Verkehrssektor für 19 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich
In Deutschland verursachte der Verkehrssektor im Jahr 2005 etwa 19 Prozent der gesamten CO2-Emissionen. Hiervon entfielen 22 Prozent auf den schweren Lkw-Verkehr – mit steigender Tendenz. Die langfristigen ökologischen und ökonomischen Folgen einer Zulassung von Megatrucks mit bis zu 25,25 Metern Länge und 60 Tonnen Gewicht – auch EuroCombis, EcoCombis oder Gigaliner genannt -, auf den Güter- und Personenverkehr sind umstritten.
Deshalb hat das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in einem internationalen Konsortium wissenschaftlicher Institute die Wechselwirkungen untersucht, die durch die Einführung überlanger Lastzugkombinationen im europäischen Güterverkehr ausgelöst werden könnten.
Auf Grundlage deutscher und niederländischer Feldtests, praktischer Erfahrungen in Skandinavien und der Auswertung internationaler Studien kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass in den Anfangsjahren tatsächliche eine Entlastung der Umwelt sowie eine Reduktion von Straßenverkehrsstaus zu erwarten sind.
Megatrucks klimapolitisch kein Allheilmittel
Internationale Studien zeigen jedoch, dass die Einführung von Megatrucks Marktsegmente berühren würde, die aufgrund des Ladevolumens bislang vorwiegend mit der Bahn transportiert wurden. Der Fraunhofer-Studie zufolge, die im Auftrag der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen und Infrastrukturunternehmen (CER) durchgeführt wurde, ist deshalb anzunehmen, dass durch deren Einführung massive Verlagerungen von Güterverkehrsvolumen von der Schiene auf die Straße stattfinden werden.
„Die Zulassung von Megatrucks ist klima- und verkehrspolitisch kein Allheilmittel“, sagt Projektleiter Claus Doll vom Fraunhofer ISI. „Ein wesentlicher Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele ist nach wie vor eine weitere Stärkung der Bahn und intermodaler Prozesse. Ohne diese ist ein echter Beitrag des Güterverkehrsmarktes zur Einhaltung der Kyoto-Ziele kaum vorstellbar.“
Wesentliche Argumente für die betriebswirtschaftliche Rentabilität des Megatruck-Konzepts sind die Verwendung größerer Fahrzeuge und die damit verbundenen Kraftstoffeinsparungen je Tonne Ladung. Verlagern sich demzufolge langfristig mehr Gütertransporte auf die Straße, verschlechtert sich die Klimabilanz des Güterverkehrs insgesamt.
Betroffen von der möglichen Verlagerung wären im Wesentlichen die Märkte für hochwertige Produkte und Containertransporte. In diesem Segment könnten zwischen zehn und 30 Prozent der Bahngütertransporte auf die Straße verlagert werden. Bei einzelnen Relationen des kombinierten Ladungsverkehrs kann der Einbruch des Aufkommens sogar bis zu 85 Prozent betragen.
Mehr Güter auf die Straße?
Die Forscher gehen jedoch auch davon aus, dass in dem wesentlich größeren Markt der Massengüter Verlagerungen auftreten, so dass sich das Transportaufkommen der Eisenbahnen insgesamt um fünf bis 15 Prozent vermindern könnte. Modellrechnungen des Forscherkonsortiums zeigen, dass bei einer Entfernung von etwa 1.000 Kilometern herkömmliche 16-Meter-Lkw-Kombinationen vollständig durch die EuroCombis ersetzt werden, und somit bei einer generellen Zulassung das Bild auf den Autobahnen bestimmen werden.
Mit einem Zeithorizont von fünf bis zehn Jahren nach der Einführung gehen die Wissenschaftler deshalb davon aus, dass die CO2-Emissionen des Verkehrs insgesamt ansteigen. Lediglich langfristig könnte sich die stärkere Wachstumsrate im Straßengüterverkehr gegenüber den Eisenbahnen durchsetzen, wodurch die Zulassung von Gigalinern zumindest eine neutrale Klimabilanz erzielen kann. Eine Gewichtsbeschränkung der überlangen Lkw auf 50 Tonnen oder weniger führt hingegen in jedem Fall zu einer weitaus schlechteren Klimabilanz des Güterverkehrs.
(idw – Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), 13.05.2009 – DLO)