Peter wusste, dass Maria, die Hans, der gut aussah, liebte, Johann geküsst hatte – lange und komplizierte Sätze wie dieser verwirren den Zuhörer oder Leser, soviel ist klar. Was aber genau bei der Verarbeitung von Schachtelsätzen und anderen grammatikalischen Achterbahnen im Hirn vor sich geht, war bislang umstritten. Jetzt sind Wissenschaftler diesem Geheimnis ein Stück weit auf die Spur gekommen. Zum ersten Mal konnten sie die neuronalen Vorgänge bei der Verarbeitung komplexer Satzstrukturen von den dabei notwendigen Gedächtnisprozessen abgrenzen.
Wie die Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig um Angela Friederici dabei feststellten, erfolgt die Verarbeitung von Wörtern im Satz und die der zugrundeliegenden syntaktischen Strukturen in unterschiedlichen Hirnarealen. Welche das sind, erklären die Wissenschaftler im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).
Erhöhte Aktivität im „pars opercularis“
Bisher fiel es in Experimenten schwer, einzelne Aspekte sprachlicher Information von einander zu trennen. Denn das Abspeichern der einzelnen Wörter im Kurzzeitgedächtnis oder das Erfassen der Satzstruktur treten bei der Satzverarbeitung immer gemeinsam auf.
„Deshalb war auch unklar, ob beide Prozesse von dem selben Hirnareal geleistet werden, oder ob unterschiedliche Areale diese Aufgaben übernehmen“, erklärt Friederici das Problem. Immerhin existierte bereits eine Vermutung darüber, welche Region des Gehirns syntaktische Informationen analysiert. „In früheren Studien beobachteten wir immer, wenn wir die Probanden mit komplexen Sätzen konfrontiert hatten, in der so genannten pars opercularis in der linken Hemisphäre des Gehirns erhöhte Aktivität“, erklärt Friedericis Kollege Michiru Makuuchi.
Diese Region befindet sich innerhalb des Broca-Areals, im so genannten linken präfrontalen Kortex, dessen wichtige Rolle für das Sprachverstehen der Forschung schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt ist. „Bisher blieb jedoch fraglich, ob diese Region tatsächlich auf die komplexe Struktur eines Satzes reagiert, oder ob sie einfach wegen der höheren Anzahl an Worten zugeschaltet wird, um die Arbeit des Kurzzeitgedächtnisses zu unterstützen“, sagt Makuuchi.
„Peter wusste, dass Maria, die Hans, der gut aussah, liebte, Johann geküsst hatte“
Um diese Frage zu klären, ließen die Forscher Testpersonen zwei verschiedene Typen von Sätzen lesen. Dazu gehörten Sätze, bei denen es vor allem darauf ankam, die komplizierte Struktur zu durchschauen, wie „Peter wusste, dass Maria, die Hans, der gut aussah, liebte, Johann geküsst hatte“.
Eine andere Gruppe von Sätzen wies dagegen eine vergleichsweise einfache Struktur auf, forderte aber das Kurzzeitgedächtnis der Probanden, weil sie zwischen Subjekt – „Antje“ – und Verb – „gesehen hatte“ – eine große Anzahl an Worten behalten mussten, etwa bei dem Satz: „Peter wusste, dass Antje den großen Mann gestern am späten Abend gesehen hatte.“
Funktionelle Magnetresonanztomografie im Einsatz
Die jeweilige neuronale Reaktion der Probanden auf die Sätze überwachten die Wissenschaftler mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie, mit der sich die Aktivität einzelner Hirnregionen registrieren lässt. „Unsere Vermutung erwies sich als richtig“, fasst Makuuchi das Ergebnis dieser Versuchsreihe zusammen. „Tatsächlich korrespondierte die Aktivität der linken pars opercularis mit dem Grad an Komplexität, den die Sätze aufwiesen. Dagegen sprach auf die einfach strukturierten, aber langen Sätze eine andere Hirnregion, an – der oberhalb des Broca-Areals gelegene linke inferiore frontale Sulcus.“
Zwischen diesen beiden Arealen fanden die Forscher zudem starke Nervenfaserverbindungen, über die zwei Hirnregionen in regem Informationsaustausch stehen. Allerdings ist noch unklar, was genau sich dort abspielt. „Das müssen wir in weiteren Studien genauer untersuchen“, so Makuuchi.
(MPG, 13.05.2009 – DLO)