Die Pflanzen bestimmen mit über neunzig Prozent der Biomasse das Gesicht unserer Erde und sind lebenswichtig für uns alle. Pflanzen werden aber von unzähligen Pflanzenfressern und Krankheitserregern bedroht. Warum ist die Welt trotzdem grün? Ein Teil der Antwort liegt im raffinierten Immunsystem der Pflanzen begründet, wie jetzt eine neue Studie im Wissenschaftsmagazin „Science“ betont.
Die Medizin unterscheidet zwei Arten von Immunität: Die erworbene Immunität beruht auf spezialisierten Immunzellen und auf der Bildung von Antikörpern nach einem genetischen Programm, das in jedem Individuum im Lauf der Entwicklung neu erworben wird. Die angeborene Immunität ist eine Eigenschaft aller Zellen und beruht auf der Erkennung von molekularen Mustern, so genannten „MAMPs“ (microbe associated molecular patterns), die für ganze Gruppen von Mikroorganismen typisch sind, im Wirt aber nicht vorkommen.
Pflanzen ohne „erworbene Immunität“
Die MAMPs ermöglichen es dem Immunsystem, das Eindringen von Bakterien, Viren, Pilzen oder Parasiten zu erkennen und eine allgemeine Abwehrreaktion auslösen. Über die angeborene Immunität ist noch wenig bekannt, und sie ist derzeit ein besonders bedeutendes Forschungsthema.
Pflanzen haben keine „erworbene Immunität“, das heißt keine spezialisierten Immunzellen und keine Antikörper. Dafür verfügt jede einzelne Zelle über ein besonders ausgefeiltes System der angeborenen Immunität. Auch bei den Pflanzen beruht diese auf der Erkennung von MAMPs. Von zentraler Bedeutung für die angeborene Immunität sind die so genannten „pattern recognition receptors“, das sind Oberflächenproteine, die die molekularen Muster von Krankheitserregern erkennen und eine Abwehrreaktion einleiten können.
Professor Thomas Boller und seinem Team am Botanischen Institut der Universität Basel gelang es im Jahr 2000, den ersten solchen MAMP-Rezeptor zu identifizieren, nämlich den Rezeptor für bakterielles Flagellin, den Grundbaustein der Bakteriengeißel. Ein Jahr später stellte sich heraus, dass ein ähnlicher Rezeptor für Flagellin auch eine zentrale Rolle in der angeborenen Immunität bei Mensch und Tier spielt.
Wettrüsten zwischen Pflanzen und Pathogenen
Dies löste einen eigentlichen Paradigmenwechsel in der Erforschung der angeborenen Immunität aus. Die Wahrnehmung von MAMPs spielt offenbar sowohl bei Pflanzen wie bei Tieren eine zentrale Rolle als erstes Schutzschild des Immunsystems.
Interessanterweise besitzen Krankheitserreger spezifische Instrumente, um diesen Schutz zu durchbrechen. Sie produzieren so genannte Effektoren, die über eine raffinierte molekulare Injektionsspritze direkt in die Wirtszelle hineingebracht werden und dort die MAMP-Rezeptoren oder ihre nachgeschaltete Signalkaskade außer Gefecht setzen.
Dass auch diese Effektoren bei Krankheitserregern von Pflanzen und Tieren ähnliche Wirkmechanismen besitzen, wie dies Professor Sheng Yang He und seine Arbeitsgruppe am Plant Research Laboratory der Michigan State University entdeckt haben, hebt die zentrale Bedeutung der angeborenen Immunität für die Abwehr von Krankheitserregern besonders hervor.
(idw – Universität Basel, 11.05.2009 – DLO)