Geowissen

Kollabierende Eisschilde ließen Meeresspiegel in die Höhe schnellen

Fossile Riffe erklären rapide Schwankungen des Wasserspiegels vor 125.000 Jahren

Beispiel eines fossilen Korallenriffs. © A. Eisenhauer / IFM-GEOMAR

Warmzeiten galten, verglichen mit den kälteren Episoden der Erdgeschichte, bisher als die stabileren Klimazustände. Eine neue Studie Kieler und mexikanischer Meeresforscher im Wissenschaftsmagazin „Nature“ zeigt jetzt aber, dass sich der Meeresspiegel auch unter wärmeren Klimabedingungen sehr rasch ändern kann. Ursache für dieses Phänomen könnten nach Ansicht der Forscher kollabierende Eisschilde sein.

Ein schnell steigender Meeresspiegel als direkte Folge der Erderwärmung ist wohl eine der größten unmittelbaren Bedrohungen, die unsere Gesellschaft in den kommenden Generationen drohen könnte. Aus der Vergangenheit, insbesondere der Übergangszeit von der letzten Eiszeit zur heutigen Warmzeit, die vor etwa 14.000 Jahren begann, wissen wir, dass der Meeresspiegelanstieg nicht gleichförmig und linear, sondern eher sprunghaft und dann mit hohen Abschmelzraten vonstatten gegangen ist. Dabei sind durchaus Änderungen von circa 15 Metern in nur 300 Jahren rekonstruiert worden. Dies ist mehr als das 15-fache dessen, was wir heute beobachten.

Ein weiteres, sehr interessantes Zeitfenster in der Klimageschichte liegt 125.000 Jahre zurück. In dieser Warmzeit, einem so genannten Interglazial war es etwa zwei Grad wärmer und auch der Meeresspiegel lag etwa sechs Meter höher als heute.

Korallenriffstrukturen untersucht

Die jetzt von einem mexikanischen und deutschen Forscherteam durchgeführte Studie, widmet sich der Frage, ob der Meeresspiegel langsam aufgrund des abschmelzenden Eises angestiegen ist, oder schnell aufgrund des Kollapses eines oder auch mehrerer Eisschilde. Dazu untersuchten die Meeresforscher aus Kiel und Cancun Korallenriffstrukturen, die heute an Land, etwa sechs Meter über dem mittleren Hochwasser stehen.

„Fossile Riffe sind ideale Anzeiger für die Höhe des Meeresspiegels, denn sie können nur nahe der Meeresoberfläche wachsen“, so Professor Anton Eisenhauer, vom IFM-GEOMAR. „Bei unseren Untersuchungen haben wir bemerkenswerter Weise zwei Riffe vorgefunden: ein Riff, welches etwa drei Meter über dem heutigen Meeresspiegel lag und ein zweites, mehrere hundert Meter landeinwärts, welches ein Höhe von etwa sechs Metern über dem Meeresspiegel aufwies“, so Eisenhauer weiter.

Ertrunkenes Riff

Durch präzisere Datierung mit Hilfe von Isotopenuntersuchungen des im Kalk enthaltenen Spurenelementes Thorium (230Th) konnten die Forscher beweisen, das beide Riffe mehr oder weniger zeitgleich existiert haben oder kurz nacheinander entstanden sein müssen.

„Durch den Vergleich der ökologischen Bedingungen können wir aber sicher sagen, dass das eine Riff quasi ertrunken sein muss, während das zweite, heute landeinwärts liegende Riff, entstand“, erklärt Mitautor Volker Liebetrau vom IFM-GEOMAR. Auch sein Kollege Jan Fietzke ist sich sicher: „Dieser Prozess muss sehr rasch, innerhalb von etwa 50 Jahren oder ein bis zwei ‚Korallengenerationen‘ abgelaufen sein, was einem Meeresspiegelanstieg von etwa sechs Zentimetern im Jahr entspricht“.

Droht ein neuer Eisschild-Kollaps?

Dieses sei etwa 20-mal mehr als heute und könnte nur mit dem Kollaps eines oder mehrerer Eisschilde erklärt werden, schließen die Kieler Meeresforscher. „Wir können nicht sagen, ob uns ein Eisschild-Kollaps innerhalb der nächsten Jahre oder Jahrzehnte droht. Wir wissen aber jetzt mit Sicherheit, dass ein solcher Kollaps drohen kann, da es früher einmal schon passiert ist. Die Eisschilde sollten daher sehr genau beobachtet werden um unsere Gesellschaft auf alle Eventualitäten einstellen zu können“, resümiert Eisenhauer.

(idw – Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, 17.04.2009 – DLO)

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