Biologie

Zellwanderung bringt Körpersymmetrie durcheinander

Neuer Mechanismus zur Rechts-Links-Asymmetrie in Huhn und Schwein entdeckt

Biologen haben einen neuen Mechanismus zur Rechts-Links-Asymmetrie in Huhn und Schwein entdeckt. Der Vorgang, der unser Herz an den rechten Fleck wandern lässt, scheint demnach komplizierter als noch vor kurzem angenommen.

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Die Wissenschaftler der Universität Hohenheim zeigen in der aktuellen Ausgabe von „ScienceXpress“ gemeinsam mit Kollegen der Harvard Universität wie Zellen in Hühner- und Schweine-Embryonen schon im Alter weniger Tage zielgerichtet zu wandern beginnen. Einen anderen Mechanismus, der die innere Asymmetrie von Fröschen auslöst, hatten die Forscher der Universität Hohenheim bereits vor zwei Jahren entdeckt.

Wehe, wenn die innere Ordnung gestört ist

Ob Frosch oder Vogel, Mensch oder Maus: rein äußerlich sehen Wirbeltiere auf der rechten Körperhälfte genauso aus wie auf der linken. Anders in ihrem Inneren: Das Herz schlägt links, der Blinddarm entzündet sich rechts, auch Lunge, Leber und Milz ordnen sich nicht in ein spiegelsymmetrisches Rechts-Links-Schema ein.

Zum Glück, denn wenn die innere Ordnung gestört ist, können zum Teil schwere Krankheiten die Folge sein: „Statistisch treten solche Fälle bei einer von 1.000 Personen auf. Die Folgen reichen von Herzfehlern bis zum Fehlen der Milz. Auch eine häufige Nierenerkrankung des Menschen, das Zystennierensyndrom, lässt sich auf Defekte in der Cilien-Funktion eines Gens zurückführen, das im frühen Embryo die Asymmetrie steuert“, erklärt Professor Martin Blum, Entwicklungsbiologe an der Universität Hohenheim.

2007 schien die Frage aufgeklärt…

Erst zwei Jahre ist es her, da glaubte seine Forschergruppe einen universellen Mechanismus für das Rechts-Links-Phänomen gefunden zu haben. Dank neuer computergestützter Analysemethoden entdeckten sie in Frosch-Embryonen ein Areal, in dem die Zellen eine Art Wimpern – so genannte Cilien – trugen. Im Alter von wenigen Stunden begannen die Zellen die Wimpern synchron im Kreis zu schlagen.

Als Folge entstand innerhalb des Embryos ein linksgerichteter Flüssigkeitsstrom, der bestimmte Gene in den Zellen der linken Körperhälfte aktivierte. In der rechten Körperhälfte blieben die gleichen Gene inaktiv. „Ein rein mechanisches Signal, das innerhalb von drei Stunden die Rechts-Links-Ausprägung auslöst“, hatte Blum damals erklärt – und an ein elementares Signal geglaubt, von dem man fortan annahm, dass es bei allen Wirbeltieren identisch sei.

… doch Schwein und Huhn verweigerten sich der Theorie

Bestätigt fühlten sich die Forscher durch identische Beobachtungen, die sie und andere Wissenschaftler an Embryonen von Mäusen, Kaninchen und Fischen machten. Erst das Schwein verweigerte sich der universellen Theorie: Nach einem frühen Stadium als ovale Zellscheibe beginnt sich in der Mitte des Embryos ein Zellknäuel, der so genannte Knoten, asymmetrisch zu verzwirbeln.

Kurz darauf werden die ersten Rechts-Links-Unterschiede sichtbar – ohne dass Zellen mit Cilien beteiligt zu sein scheinen. Professor Dr. Christoph Viebahn von der Universitätsmedizin Göttingen bestätigte mit elektronenmikroskopischen Untersuchungen diesen Befund. Zeitgleich machten Forscher in Harvard die Beobachtung, dass auch dem Hühnerembryo die Cilien fehlen.

Dafür konnten die US-Kollegen um Professor Cliff Tabin mit Färbeversuchen jetzt einen neuen Mechanismus nachweisen: Nachdem sie einzelne verstreute Zellen mit einem leuchtenden Farbstoff markiert hatten, konnten sie die Entwicklung unter dem Mikroskop direkt verfolgen und Zellwanderungen darstellen, die den Knoten in der Körpermitte erst symmetrisch aufbauten, dann aber asymmetrisch verzerrten.

Neue Suche nach universellem Mechanismus

Ein Ergebnis, das nach Ansicht der Forscher auf beiden Seiten des Atlantiks mehr neue Fragen aufwirft, als alte beantwortet: „Dass Schwein, Maus und Kaninchen als eng verwandte Säugetiere zwei völlig unabhängige Mechanismen entwickelt haben, können wir ausschließen, vor allem weil alle Tieren die gleichen Gene besitzen, die in der Folge asymmetrisch aktiviert werden“, interpretiert Blum.

Stattdessen suchen die Biologen nun nach einem neuen, gemeinsamen Grundmechanismus, von dem Cilien und Zellwanderung nur unterschiedliche Varianten sind: „Die Frage ist: gibt es die Zellwanderung vielleicht auch bei den Tieren, die die Symmetrie mit Hilfe von Cilien und asymmetrischen Flüssigkeitsströmen brechen? Oder finden wir bei genauerem hinsehen im Schweine- und Hühnerembryo doch noch Zellen mit Cilien, die die Wanderungsbewegung wie kleine Antennen dirigieren?“ Eine Frage, die die Entwicklungsbiologie laut Blum in den kommenden Jahren beschäftigen dürfte.

(idw – Universität Hohenheim, 16.04.2009 – DLO)

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