Ins Gehirn hineinschauen zu können ist ein alter Traum der Wissenschaft. Moderne bildgebende Techniken wie die Magnetresonanztomografie zeigen Gehirne zwar sogar bei der Arbeit, sind aber noch sehr weit von der Darstellung einzelner Hirnzellen entfernt. Um zu sehen, wie sich diese verzweigen und mit ihren Nachbarzellen in Kontakt treten, sind die Forscher bisher auf zweidimensionale anatomische Präparate angewiesen. Doch dies könnte sich schon bald ändern. Denn ein Wiener Forscher arbeitet an einer völlig neuen Methode, Gehirne unter dem Mikroskop bis in kleinste Details zu analysieren. Dafür macht er beispielsweise komplette Mäusegehirne nahezu völlig durchsichtig.
„Wir passen den Brechungsindex des Hirngewebes mit einer öligen Flüssigkeit so an die Umgebung an, dass die Gehirne transparent werden“, erklärt Professor Hans-Ulrich Dodt von der Technischen Universität (TU) Wien seine Methode. So kann Dodt detaillierte dreidimensionale Bilder bis hinunter zu einzelnen Nervenzellen mit ihren Zellkörpern und den weit verzweigten Fortsätzen machen. Seine Bilder von Gehirnen lassen auf einen Blick erahnen, wie komplex das Nervennetz verschaltet ist.
Schnittebenen aus Laserlicht
„Wir können mit unserer Methode seit kurzem sogar die kleinen Verdickungen an den Dendriten, die so genannten Spines, sichtbar machen“, freut sich der Forscher. Möglich wird das mit einem ausgeklügelten High-Tech-Mikroskop, das mit Laserlicht einzelne Schichtbilder der transparenten Gehirne macht.
„Obwohl das Gewebe fast komplett durchsichtig ist, streut das Licht des Lasers an vielen Hirnstrukturen wie etwa dem Myelin“, sagt Dodt, und er erklärt weiter: „Der Laser strahlt sein Licht von der Seite in verschiedenen Höhen flächig ein, und von oben machen wir mit einer sehr lichtempfindlichen Optik digitale Schichtbilder.“ Im Computer setzen Dodt und sein Team die einzelnen Gehirnschichten dann zu einem räumlichen Bild zusammen.
Nobelpreisgekrönte Technik weiterentwickelt
Für seine Technik kombinierte Dodt zwei Verfahren, die beide schon seit knapp hundert Jahren bekannt sind. Er entwickelte einerseits die Ultramikroskopie weiter, für die ihr Erfinder, der österreichische Chemiker Richard Zsigmondy, im Jahr 1925 den Nobelpreis für Chemie verliehen bekam. Der größte Unterschied zu Zsigmondys ursprünglicher Technik ist, dass Dodt Laserlicht verwendet. „Mit dem Laser können wir viel dünnere Schichten beleuchten, die zudem eine vergleichsweise große Fläche abdecken“, erklärt er.
Andererseits verwendet Dodt die auf das Jahr 1914 zurückgehenden Techniken des deutschen Anatomen Werner Spalteholz, Gewebe transparent zu machen. Die Steuerung von Dodts Lasermikroskop und die Verarbeitung der damit gemachten Bilder passieren vollautomatisch, die Computersoftware dafür haben er und sein Team selbst programmiert.
Forschung für die Medizin
Neben der Entwicklung neuer Grundlagen für bildgebende Methoden arbeitet Dodt auch an Projekten für die medizinische Anwendung. So analysiert er die Bildung der so genannten Beta-Amyloid-Plaques, die in der Entstehung von Alzheimer eine entscheidende Rolle spielen. In einem anderen Projekt untersucht er in Zusammenarbeit mit Kollegen von der Medizinischen Universität Wien die Entstehung von multipler Sklerose. Bei dieser Krankheit wird durch der Abbau der Myelinscheide, die normalerweise einzelne Nervenfasern wie eine Isolierschicht umschließt, die Leitung von Nervensignalen stark verlangsamt oder gar völlig unterbrochen.
(Technische Universität Wien, 08.04.2009 – DLO)