Lippenherpes ist allseits unbeliebt, aber weit verbreitet: Er zählt in Deutschland zu den häufigsten Erkrankungen der Haut. Neben den bekannten Übertragungswegen der Viren durch den Speichel sowie der Verbreitung über Schmierinfektionen mit den Händen nach Aufkratzen der Lippenbläschen, gibt es offenbar noch einen weiteren möglichen Infektionsweg: Herpes-kontaminierte Textilien. Dies zeigen neue Untersuchungen an den Hohenstein Instituten.
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Mit Hilfe molekularbiologischer Analytik ist es den Wissenschaftlern dort gelungen, die starke Haftung von Herpes-simplex-Viren (HSV 1) an Textilien nachzuweisen. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass eine Ansteckung beispielsweise also auch über Handtücher, Servietten sowie Geschirr- und Reinigungstücher erfolgen könnte, mit denen sich zuvor ein Herpes-Infizierter abgetrocknet hat.
Wäsche vertreibt Viren nicht
Im Rahmen des Haftungsversuchs am Institut für
Hygiene und Biotechnologie (IHB) kontaminierten die Wissenschaftler kleine Textillappen direkt mit Viruspartikeln aus einer HSV 1-Suspension. Wie sich herausstellte, waren die Herpesviren auch noch nach 48 Stunden bei Raumtemperatur auf dem Textil vorhanden. Aufgrund von Untersuchungen, die von einer Dauerhaftigkeit von Herpes-simplex-Viren über acht Wochen auf harten Oberflächen berichten, kann man daraus schließen, dass sich vermutlich auch auf dem Textil infektiöse Partikel befanden.
Selbst nach einer 40°C-Wäsche mit einer haushaltsüblichen Maschine unter Verwendung von Haushaltswaschmittel lies sich die Virus-DNA auf den Läppchen nachweisen. Dies unterstreicht die hohe Anhaftung der Herpesviren am Textil, unabhängig davon, ob es sich dabei um infektiöse Partikel handelt oder nicht.
Allerdings ist eine Ansteckung mit Herpes durch Textilien nach dem Waschgang aufgrund der empfindlichen Hüllmembran des Virus eher unwahrscheinlich, da diese im Hinblick auf die Infektiosität der Erreger eine wichtige Rolle spielt. Dennoch kann eine Infektionsgefahr anhand dieser ersten Ergebnisse nicht restlos ausgeschlossen werden, so die Wissenschaftler.
Erreger-Nachweis anhand von Nukleinsäure
Bei den an den Hohenstein Instituten nun etablierten molekularbiologischen Techniken des IHB erfolgt der Nachweis des Herpes-Erregers anhand seiner Nukleinsäure (DNA) durch eine spezifische Enzymreaktion. Dazu sind zwei Schritte notwendig: Zunächst wird die DNA aus den temperaturanfälligen HSV-Partikeln durch einen einfachen Hitzeschritt gewonnen, welcher die Virushülle aufbricht und die Nukleinsäure zugänglich macht.
Anschließend wird bei der so genannten Polymerase-Kettenreaktion (PCR) dann ein definierter DNA- Abschnitt selektiv vermehrt. Dieser spezifische Virus-DNA-Abschnitt ist danach anhand seiner bestimmten Länge nachweisbar.
Bald keine Haftung mehr für Viren?
Ziel der Wissenschaftler ist es, die erarbeiteten molekularbiologischen Techniken künftig neben der Forschung an Viren auch für verbraucherorientierte Dienstleistungen einzusetzen. Die erforderliche Genehmigung für gentechnische Arbeiten der Sicherheitsstufe 1 wurde dem IHB durch das Regierungspräsidium Tübingen erteilt.
Die neue Forschungsdisziplin an den Hohenstein Instituten ermöglicht beispielsweise ein umfassendes Screening zur Haftung von unterschiedlichen Viren auf Textilien, um das Übertragungspotenzial durch Bekleidung und Textilprodukte genauer zu untersuchen. Die Erkenntnisse aus der Molekularbiologie könnten in Zukunft dann in die Entwicklung neuer Materialien einfließen, die die Haftung und Verschleppung human- und tierpathogener Viren verhindern.
(idw – Hohenstein Institute, 23.03.2009 – DLO)