Ein Jenaer Biologe hat ein Computermodell der Fortbewegung von Hunden entwickelt, das überraschende Ergebnisse lieferte: Normalerweise müsste ein trabender Vierbeiner spätestens nach 18 Schritten umfallen. Die Simulationen der Gangart lieferten aber auch Hinweise darauf, welche Kontrollmöglichkeiten das Umkippen letztlich verhindern.
Kleine Reflektoren leuchten an jedem Gelenkpunkt der braunen Terrier-Dame, die zügig über das Laufband trabt. Acht Kameras nehmen jede ihrer Bewegungen detailgenau auf. Unter ihren Füßen liegen Sensorplatten und messen, mit welcher Kraft sie auftritt. Die dreidimensionalen Bilder der Infrarothochgeschwindigkeitskameras hat Martin Groß vom Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie der Universität Jena akribisch ausgewertet, jede Gelenkbewegung analysiert, jeden Winkel der Gelenke ausgerechnet, jede Schrittlänge bestimmt.
Computermodell simuliert Fortbewegung
Aus den experimentellen Daten hat er ein Computermodell entwickelt, mit dem er die Fortbewegung des Hundes nachstellen kann. „Ich wollte herausfinden, wie der Hund seinen Gang stabilisiert und kontrolliert“, so Groß, der die Untersuchungen im Rahmen seiner Diplomarbeit durchgeführt hat.
Seinem Computermodell legte Groß das Prinzip des so genannten Feder-Masse-Modells zu Grunde, bei dem sich am oberen Ende einer Feder ein Massepunkt befindet, der den Körperschwerpunkt beschreibt. „Dabei geht man davon aus, dass sich ein Bein wie eine elastische Feder verhält, also in der Flugphase gestreckt und damit länger, in der Bodenphase durch die Beugung kürzer ist“, erklärt der Jenaer Wissenschaftler.
Um nun die Vierbeinigkeit zu untersuchen, hat der Biologe sein Computermodell um eine Feder erweitert, so dass sich an einer Körpermasse, sozusagen dem Rumpf des Hundes, vorne und hinten je eine Feder befindet. Das reiche zur Simulation aller vier Beine zunächst aus, weil sich im Trab stets zwei Beine, also Vorder- und Hinterbein der jeweils gegenüberliegenden Seite, auf dem Boden befinden.
Nach 18 Schritten war Schluss
Am Computer testete er, wie viele Schritte sein Modell bei einem Tempo von zwei Metern pro Sekunde stabil laufen kann. Das war auch die Geschwindigkeit, mit der die Hunde-Dame auf dem Laufband getrabt ist, umgerechnet etwa sieben Kilometer pro Stunde (km/h). Die Ergebnisse waren verblüffend: „Obwohl ich alle Parameter durchgetestet habe, war nach maximal 18 Schritten Schluss und mein Modell fiel um“, so Groß. Wenn er die Geschwindigkeit jedoch auf drei Meter pro Sekunde erhöhte, waren mehr als 50 Schritte ohne Sturz möglich. Das sei wie mit einem angeschobenen Fahrrad, sagt Groß. „Bei hoher Geschwindigkeit rollt es stabil, wenn es zu langsam wird, kippt es um.“
Wenn jedoch der Trab bei geringen Geschwindigkeiten instabil ist, wieso kippt der Hund nicht um? „Das Modell zeigt, dass es gewisse Kontrollmöglichkeiten geben muss, die den Körper des Hundes im Trab stabil halten“, so Groß. Aus seinen experimentell gewonnenen Daten konnte er dafür die Drehung des Schwungbeins ausmachen, die sich in einem kurzen Rückwärtsschwingen vor dem Aufsetzen auf den Boden äußert. Außerdem fand er mit Hilfe seines Modells, dass die gleichzeitige Änderung der Beinsteifigkeit durch Muskelkontraktion beziehungsweise -entspannung eine Rolle spielt.
Strategien zur Bewegungsstabilität
„Das Besondere an dem von Martin Groß entwickelten Computermodell ist die Möglichkeit der Vorhersage von natürlichen Strategien zur Bewegungsstabilität“, sagt André Seyfarth vom Lauflabor der Jenaer Universität. Das sei im Gegensatz zu Zweibeinern bei vierbeinigen Tieren bis jetzt kaum untersucht worden.
Die neuen Ergebnisse werden jetzt in das EU-Projekt „Locomorph“ am Institut für Sportwissenschaft der Universität Jena einfließen, in dem der Übergang vom zweibeinigen zum vierbeinigen Gang untersucht wird. Groß kann sich gut vorstellen, in diesem Rahmen ähnliche Untersuchungen mit Hunden zu machen, die nur auf drei Beinen laufen können, weil sie zum Beispiel durch einen Unfall eines ihrer Beine verloren haben.
„Es wäre interessant zu erfahren, wie der Körper auf solche gravierenden Veränderungen reagiert und wie er seine Kontrollstrategien für ein stabiles Laufen anpasst“, so Groß. „Das könnte durchaus auch Rückschlüsse auf Anpassungsstrategien beim Menschen zulassen.“
(idw – Universität Jena, 19.03.2009 – DLO)