Vor 90 Millionen Jahren ging eine ganze Herde jugendlicher Dinosaurier gemeinsam in den Tod. Das schlammige Seeufer konservierte ihre Skelette und liefert den Paläontologen nun einen einzigartigen „Schnappschuss“ des Verhaltens von Dino-Jungtieren. Offenbar waren herumstreifende „Jugendbanden“ auch in der Kreidezeit schon die Regel.
Bereits 1978 hatte ein chinesischer Geologe am Fuße eines kleinen Hügels in der Wüste Gobi erste Knochen von Dinosauriern entdeckt. 20 Jahre später grub dann ein chinesisch-japanisches Wissenschaftlerteam die ersten vollständigen Skelette aus und stellte fest, dass alle von Angehörigen der gleichen, damals noch unbekannten Art stammen mussten. Sie tauften sie Sinornithomimus – “chinesischen Pseudovogel”.
Erst 2001 fand unter Leitung von Paul Sereno, Professor für Paläontologie der University of Chicago und Zhao Xijin, Professor der chinesischen Akademie Wissenschaften, eine umfangreiche und vollständige Ausgrabung der Fundstelle statt. Die Forscher gruben mehr als 25 Einzelskelette aus, deren Lebensalter zwischen einem und sieben Jahren lag, wie die „Jahresringe“ in den Knochen enthüllten.
Massentod in der Schlammfalle
Die Position der Skelette zeigte, dass nahezu alle Tiere zum Zeitpunkt ihres Todes in die gleiche Richtung geblickt haben mussten. Interessanterweise waren ihre Beine bis zu den Hüften senkrecht im Schlamm eingesunken, der Oberkörper jedoch lag flach. Die Hüftknochen fehlten teilweise, möglicherweise hatten Aasfresser sich an ihnen bedient, bevor der Schlamm sie im Laufe der Zeit ganz bedeckte. Nach Ansicht der Forscher ist die Lage der Knochen ein Hinweis darauf, dass sie alle gleichzeitig gestorben sein müssen. Tiefe Spuren im Schlamm um die Skelette herum deuten auf verzweifelte Versuche der Tiere hin, sich zu befreien.
„Diese Tiere starben einen langsamen Tod in ihrer Schlammfalle, ihre Versuche sich zu befreien lockten nur nahebei herumstreifende Raubtiere oder Aasfresser an“, erklärt Sereno. „Ich war traurig, denn ich wusste, wie diese Tiere gestorben sind. Es war ein seltsames Gefühl und das bisher einzige Mal, dass ich bei einer Ausgrabung so etwas empfand.“
Jugendbande streifte unbeaufsichtigt umher
So tragisch der Tod in der Schlammfalle für die Kreidezeitbewohner gewesen sein mochte, den Paläontologen liefert die Dinosauriergruppe eine einzigartige Gelegenheit, mehr über das Sozialverhalten der Tiere zu erfahren. Denn wie sich schnell herausstellte, bestand die Herde nur aus Jungtieren der Art Sinornithomimus dongi. Offenbar waren diese Halbwüchsigen von den Erwachsenen ihrem Schicksal überlassen worden, während diese sich um neue Gelege kümmerten.
„Es gab keine Erwachsenen oder frisch geschlüpften Individuen“, so Sereno. „Diese Jugendlichen streiften auf sich gestellt umher.“ David Varricchio, Paläontologe der Montana State Universität ergänzt: „Der Fund einer feststeckenden Herde ist extrem selten, auch bei heute noch lebenden Tieren. Einige Beispiel gibt es von Huftieren, wie Wasserbüffel in Australien oder Wildpferden im Westen der USA.“
Dank des extrem guten Erhaltungszustands der Skelette liefert die Fundstelle zudem umfassende Daten selbst über die kleinsten Knochen. „Wir kennen selbst die Größe ihrer Augenhöhlen“, so Sereno. „Sinornithomimus wird damit zu einem der am besten verstandenen und erforschten Dinosaurier der Welt werden.“
(University of Chicago, 16.03.2009 – NPO)