Chemie

Zucker-Double beeinflusst Nervenregeneration

Forscher ahmen Strukturen von Zuckermolekülen nach, die eine wichtigen Rolle beim Nachwachsen von Nervenzellen spielen

Baseler Forschern ist es gelungen, Strukturen von Zuckermolekülen nachzuahmen, die eine wichtige Rolle beim Nachwachsen von Nervenzellen spielen. Sie berichten über ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Journal of Medicinal Chemistry“.

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Bei Verletzungen des Rückenmarks werden Nervenbahnen zerstört, die Reize vom Gehirn zu den Organen und Extremitäten leiten. Auch Sinneseindrücke werden an der Verletzungsstelle unterbrochen und gelangen nicht mehr ins Gehirn. So führt eine Schädigung des Rückenmarks zu einer teilweisen oder vollständigen Lähmung und dem Verlust von Empfindungen in Körperteilen unterhalb der Verletzung.

Die Patienten müssen mit einer plötzlich stark veränderten Lebenssituation zurechtkommen, da es zurzeit neben der physiotherapeutischen Rehabilitation keine wirkungsvolle Therapie für Querschnittgelähmte gibt.

Regeneration von Nerven

Ist das Nervensystem des Menschen erst einmal ausgebildet, gibt es genetisch festgelegte Mechanismen, die ein weiteres Wachstum der Nerven verhindern. Wird ein peripherer Nerv jedoch verletzt, können Nervenfasern spontan nachwachsen. Für diese Regeneration sind wachstumsfördernde Faktoren verantwortlich, die von der Myelinschicht beigesteuert werden, welche die Nerven umhüllt.

Auch nach einer Verletzung im Zentralnervensystem versuchen die Nervenfasern nachzuwachsen. Es bilden sich winzige Fortsätze, die allerdings nicht einmal Millimeterlänge erreichen. Dies liegt daran, dass das Myelin des Zentralnervensystems im Gegensatz zum Myelin des peripheren Nervensystems Faktoren enthält, die das Nervenwachstum hemmen. Einige der dafür verantwortlichen Inhibitorproteine wie Nogo-A oder das Myelin-assoziierte Glycoprotein (MAG) sind heute bekannt. Für MAG konnten Forscher zeigen, dass Interaktionen mit Glykanstrukturen für den hemmenden Effekt verantwortlich sind.

Glykanstrukturen nachahmen

Die Forscher um Professor Beat Ernst am Departement Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Basel erforschen die Rolle von hoch komplexen Zuckermolekülen, so genannten Glykanen. Wechselwirkungen zwischen diesen und Proteinen beeinflussen zahlreiche biologische Prozesse von der Entstehung des Embryos, über die Wundheilung bis hin zu Autoimmunerkrankungen.

Glykanstrukturen sind aber aufgrund ihrer unzureichenden pharmakokinetischen Eigenschaften therapeutisch nur bedingt einsetzbar. Ein Ziel des Wissenschaftlerteams ist deshalb, Glykomimetika zu entwickeln, das heißt Verbindungen, die die Glykanstruktur nachahmen, aber strukturell weniger komplex und für den therapeutischen Einsatz geeignet sind.

Diesen Ansatz verfolgten Ernst und Dr. Oliver Schwardt mit ihren Mitarbeitern in Zusammenarbeit mit Forschern der Universität Bremen bei der neuen Studie. Ausgehend vom aktivsten Liganden für MAG, dem Gangliosid GQ1balpha, gelang es ihnen Glykomimetika zu entwickeln, deren Bindungsaffinität bis zu 400 Mal stärker als die des natürlichen Liganden ist.

Konkurrenz um die Bindungsstelle

Da Ligand und Inhibitor gleichzeitig um dieselbe Bindungsstelle konkurrieren, könnte durch die höhere Bindungsaffinität des Liganden der hemmende Effekt blockiert werden, der vom MAG-Inhibitorprotein auf das Nervenwachstum ausgeht. Mit den neu identifizierten Verbindungen wird es jetzt möglich, die Rolle von MAG bei der Regeneration von Nervenverletzungen genauer zu untersuchen.

(idw – Universität Basel, 04.03.2009 – DLO)

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