Mikrobiologie

Stickstoff-Lecks des Ozeans enthüllt

Forscher decken komplexe Zusammenhänge in der Sauerstoffminimumzone des tropischen Südostpazifiks auf

Die bedeutendsten Sauerstoffminimumzonen (OMZs) der Weltmeere - Arabisches Meer, tropischer Nordostapazifik (ETNP) und Tropischer Südostpazifik (ETSP). Die Karte zeigt die jährliche durchschnittliche Konzentration an gelöstem Sauerstoff in einer Wassertiefe von 200 m. Die weiße Box zeigt die Peruanische Sauerstoffminimumzone, die Teil der ETSP und Gegenstand dieser Untersuchung ist. © IRI/LDEO Climate Data Library, Columbia University / World Ocean Atlas 2005, NODC, NOAA

Um genaue Vorhersagen über die Rolle des Ozeans für das Weltklima machen zu können, müssen die Stoffkreisläufe im Meer gut bekannt sein. Bei den Stickstoffverlusten lag man bisher falsch. Eine neue Studie Bremer Max-Planck-Forscher hat jetzt die komplexen Zusammenhänge in der Sauerstoffminimumzone des tropischen Südostpazifiks aufgedeckt. Die Wissenschaftler berichten über die identifizierten „Stickstoff-Lecks“ in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).

In Folge der globalen Erwärmung dehnen sich Regionen sauerstoffarmen Wassers – so genannte Sauerstoffminimumzonen – in den Weltmeeren immer weiter aus. Dies hat weitreichende Auswirkungen auf den Lebensraum Meer und die Fischereiwirtschaft, da höhere Organismen diese Regionen meiden. Auch die globalen Kreisläufe von Kohlenstoff und Stickstoff sind eng mit Sauerstoffminimumzonen verknüpft. Ein detailliertes Verständnis dieser Kreisläufe ist daher unverzichtbar, um die Auswirkungen des fortschreitenden Klimawandels auf die Weltmeere und mögliche Rückkopplungen prognostizieren.

Die Forscher um Phyllis Lam vom Max-Planck-Insitut für Marine Mikrobiologie in Bremen beschäftigten sich in ihrer neuen Studie nun mit dem Stickstoffkreislauf im tropischen Südostpazifik rund um die peruanische Sauerstoffminimumzone. Diese Region ist eine von drei Meeresregionen, in denen Stickstoff aus dem Meerwasser entweicht.

Überarbeiteter Stickstoffzyklus der Peruanischen Sauertoffminimumzone. Anammox (gelb) ist für den Großteil des Stickstoffverlusts verantwortlich. Es ist eng gekoppelt an die Nitratreduktion (rot) und aerobe Ammoniakoxidation (grün), die die Quellen des NO2- bilden. Das erforderliche NH4+ stammt aus der dissimilatorischen Nitratreduktion (DNRA, blau) und Remineralisierung von organischem Material durch Nitratreduktion und vermutlich mikroaerobe Respiration. Solche mikroaeroben Bedingungen traten mindestens im oberen Teil der OMZ auf, wie das Auftreten von Nitrifikation vermuten lässt. Die Bedeutung der Nitrifikation nimmt vom Schelf zum offenen Ozean hin ebenso wie in tieferen Schichten der OMZ ab. Im Gegensatz dazu wird die NH4+ -Produktion infolge von Nitratreduktion und DNRA mit zunehmender Tiefe uns Küstenentfernung immer bedeutsamer. 'Assim.' und 'Remin.' bedeuten Assimilation (grau) und Remineralisierung (braun). Stickstofffixierung (grau gestrichelt) könnte an den Stickstoffverlust nahe der OMZ gekoppelt ein, wurde aber in der vorliegenden Studie nicht untersucht. © Phyllis Lam / MPI / PNAS

Dem verlorenen Stickstoff auf der Spur

„Lange Zeit wurde dieser Verlust auf Denitrifizierung zurückgeführt. Dabei wird Nitrat in Luftstickstoff umgewandelt, der dann in die Atmosphäre entweichen kann“, erklärt Lam. „Dieses Bild wandelt sich allerdings: Scheinbar sind so genannte Anammox-Bakterien für den Großteil des ‚verlorenen‘ Stickstoffs verantwortlich. Bisher war jedoch unklar, woher die Anammox-Bakterien die ‚Rohstoffe‘ für diese Umwandlung nehmen.“ Zudem ist im Untersuchungsgebiet keine Denitrifizierung messbar.

Das stellt unser Verständnis vom eng verbundenen Kohlenstoffkreislauf in Frage – wenn es nicht die Denitrifizierung ist, welcher Prozess verantwortet dann in sauerstoffarmen Wasserkörpern den Abbau organischen Materials?

Bisherige Annahmen falsch?

Lams Erkenntnisse erschüttern bisherige Annahmen über den Stickstoffkreislauf in der peruanischen Sauerstoffminimumzone. Sowohl Experimente als auch molekulare Untersuchungen deuten darauf hin, dass mehrere Prozesse beteiligt sind: Der Großteil des Stickstoffs geht danach tatsächlich durch Anammox verloren. Dies ist unmittelbar an die Nitratreduktion und aerobe Ammoniakoxidation – den ersten Schritt der Nitrifizierung – als Quellen des NO2- gekoppelt. Das erforderliche NH4+ wiederum stammt aus der dissimilatorischen Nitratreduktion (DNRA) und Remineralisierung von organischem Material durch Nitratreduktion und vermutlich mikroaerobe Respiration.

Die Bedeutung der einzelnen Prozesse variiert zwischen Küstenregionen und dem offenen Ozean ebenso wie in unterschiedlichen Tiefenschichten der Sauerstoffminimumzone. Zudem erstaunten die Forscher die hohen Umsatzraten der DNRA – bisher vermutete man, dass dieser Prozess im offenen Ozean keine Rolle spielt.

Mit ihren Erkenntnissen stürzen die Bremer Wissenschaftler die vorherrschende Meinung, dass Nitrat aus der Tiefsee für den gesamten Stickstoffverlust des Ozeans verantwortlich ist. Dessen Anteil betrug ersten Abschätzungen zufolge nur etwa die Hälfte, während die restlichen Verluste aus remineralisiertem Stickstoff – also solchem, der aus organischem Material stammte – erwuchsen.

Rolle des remineralisierten Stickstoffs muss überdacht werden

Bisherige Berechnungen des Stickstoffverlusts, die sich alleine auf Messungen des Nitratdefizits berufen, unterschätzen daher den tatsächlichen Verlust aus dem Ozean also vermutlich substantiell – gerade wenn die Ergebnisse auf die anderen Sauerstoffminimumzonen der Welt übertragbar sind. „Insbesondere die Rolle des remineralisierten Stickstoffs muss überdacht werden“, betont Lam. „Nur so werden verlässliche Vorhersagen über die zukünftige Rolle der Ozeane für das Weltklima möglich.“

(idw – Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, 03.03.2009 – DLO)

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