Paläontologie

Erster Blick auf Rarität im Bernstein

Synchrotronstrahlung ermöglicht einmalige Aufnahmen von seltenem Fächerflügler

Kopf und Thorax des Fächerflüglers als Rekonstruktion basierend auf SRµCT-Daten und virtueller Querschnitt durch den Kopf (unten) mit gelb eingefärbten Gehirn. © Universität Jena

Ein vor 39 Millionen Jahren in Bernstein eingeschlossener Fächerflügler hat für eine Sensation hesorgt. Denn das seltene Tier ist jetzt erstmals mithilfe von Synchrotronstrahlung hochauflösend und dreidimensional untersucht und abgebildet worden. Die Aufnahmen liefern wertvolle Aufschlüsse auch zur Stammesgeschichte dieser Tiergruppe.

Die dreidimensionale Aufnahme des Insekts auf dem Bildschirm dreht sich. Per Mausklick kann Hans Pohl von der Friedrich-Schiller-Universität Jena beliebig Schnitte durch das Objekt vornehmen und die gelieferten Daten in Sekundenschnelle auswerten lassen. Die Bilder sind in zweifacher Hinsicht eine Sensation. Zum einen ist das zu untersuchende Objekt eine Rarität: ein vor mindestens 39 Millionen Jahren in baltischem Bernstein eingeschlossener zwei Millimeter großer Fächerflügler (Strepsiptera) der Gattung „Mengea“. Zum anderen lieferte ein Synchrotronstrahlung Mikro-Röntgentomograph (SRµCT) des GKSS Forschungszentrums Geesthacht am Deutschen Elektronen-Synchrotron(DESY) in Hamburg die hochaufgelösten Bilder.

Tod beim Hochzeitsflug

Dass die besondere Bernstein-Inkluse bei dem Jenaer Entomologen gelandet ist, ist nicht verwunderlich, gilt er doch als der Experte für Fächerflügler. Die seltenen Strepsipteren – deren Flügelfaltung ihnen den deutschen Namen gab – „sind die rätselhafteste Insektengruppe überhaupt“, berichtet Pohl vom Jenaer Institut für Zoologie und Evolutionsbiologie. Sie ähneln kleinen Fliegen und entwickeln sich als Parasiten in anderen Insekten. Die Männchen haben eine Lebensdauer von nur wenigen Stunden. „Unser Exemplar scheint auf dem Hochzeitsflug am Bernsteinharz regelrecht hängen geblieben zu sein“, vermutet der Insektenforscher.

Tödlich für lebendes Gewebe, hochgenau für totes

Verglichen mit herkömmlicher Röntgenstrahlung zeichnet sich die so genannte Synchrotronstrahlung durch eine hohe Intensität und Direktionalität aus. „Für lebendes Gewebe wäre die angewendete Intensität dieser Strahlung bereits vernichtend“, weiß der Experte für Fächerflügler. Neben der verbesserten zeitlichen Auflösung, die kurze Belichtungszeiten erlaubt, ermöglichen die kurzen Wellenlängen der Synchrotron-Röntgenstrahlung hohe räumliche Auflösungen, in dem Fall bis zu drei Mikrometer – die Auflösung eines Computertomographs im Krankenhaus ist um den Faktor 1.000 niedriger. Durch das Ein- oder

Ausblenden bestimmter Strukturen ist es erstmals möglich, in einen fossilen Fächerflügler hineinzuschauen.

Mittels Tomographie-Datensätzen können virtuelle Schnitte innerer Gewebe sichtbar gemacht und mit geringem Zeitaufwand ausgewertet werden. Einen weiteren Vorteil birgt die neue Technik außerdem: Die für baltischen Bernstein so typischen Trübungen können ausgeblendet werden. „Wir haben erstmalig detaillierte Aufnahmen innerer Organe vorliegen“, freut sich Pohl. Vor allem die Weichgewebe wie die Muskulatur und das Gehirn sind auf dem Bildschirm unverkennbar. Aufgrund der nur teilweisen Fossilisierung der inneren Strukturen sind nicht alle Organe so gut erhalten.

Wichtiger Einblick in die Stammesgeschichte

„Die hieraus gewonnenen Informationen sind enorm wichtig für stammesgeschichtliche Rekonstruktionen“, erläutert Pohl, der die seltenen Aufnahmen innerhalb seiner Arbeiten zur Erforschung der Phylogenie und Morphologie basaler Fächerflügler in Zusammenarbeit mit Felix Beckmann vom GKSS am DESY in Hamburg anfertigte. Der Vergleich der gewonnenen Informationen mit heute lebenden Fächerflüglern sei von unschätzbarem Wert.

„Bis heute bereitet die stammesgeschichtliche Zuordnung von Fächerflüglern große Probleme, denn genetische und morphologische Daten weisen in verschiedene Richtungen“, weiß Pohl. Von der Auswertung der hochaufgelösten Röntgenaufnahmen erhofft sich Pohl nun neue Erkenntnisse zur Evolution der Gruppe.

(Universität Jena, 27.02.2009 – NPO)

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