Neurobiologie

Synästheten haben mehr graue Zellen

Hirnforscher weisen Gehirnveränderungen an zwei Stellen nach

Synästheten zeigen vermehrte graue Gehirnsubstanz (helle Flächen) im Bereich des linken Scheitellappens (links) und im rechten unteren Schläfenlappen (rechts). © Forschungszentrum Jülich

Menschen mit Synästhesie sehen beim Anblick von Buchstaben oder Zahlen oder beim Musikhören bestimmte Farben. Welche Gehirnregionen für diese zusätzlichen Sinneseindrücke verantwortlich sind, haben Wissenschaftler nun mithilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) nachgewiesen. Ihre Ergebnisse präsentieren sie in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Brain“.

Sehen Sie Dinge bunt, die für andere nicht bunt sind? Das muss nicht Folge von Alkohol oder Drogen sein — vielleicht sind Sie „Synästhet“? Bei ungefähr zwei Prozent aller Menschen sind Sinneseindrücke verschiedener Art nicht getrennt, sondern erzeugen zusätzlich Reize. Diese Personen haben zum Beispiel Farbempfindungen, wenn sie Buchstaben oder Zahlen sehen. Oder „schmecken“ etwas bei bestimmten Musikstücken. Aus vorherigen Untersuchungen ist bekannt, dass eine Überfunktion bestimmter Gehirnregionen bei diesem Phänomen eine Rolle spielen.

Welche Strukturen sind anders?

Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und der Kölner Universitätsklinik für Neurologie haben nun untersucht, was genau sich im Gehirn dabei verändert. „Die Frage war, ob die Funktionsveränderung bei Synästhesie auch zu Veränderungen der Gehirnstruktur führt“, erläutert Professor Peter Weiss-Blankenhorn vom Forschungszentrum Jülich. „Um dies herauszufinden, wandten wir eine neue MRT-Methode an und verglichen damit die Gehirne von Menschen mit und ohne Synästhesie.“ Nach einem ausführlichen Test auf Synästhesie wurden millimetergenaue Bilder der Gehirne der Synästheten und Kontrollpersonen mit Hilfe des Jülicher MR-Tomografen aufgenommen.

Mehr „graue Zellen“ an zwei Stellen

Der Vergleich der Gehirne ergab, dass bei den Synästheten die graue Gehirnsubstanz in zwei Bereichen des Gehirns vermehrt war. Zum einen im rechten unteren Schläfenlappen, einer Gehirnregion, die auf Farbwahrnehmung spezialisiert ist, und zum anderen im linken Scheitellappen. „Das Interessante ist, dass es bei Synästhesie nicht nur zu einer Veränderung des Gehirns in der Region für Farbwahrnehmung kommt, sondern auch im Scheitellappen, der die Aufgabe hat, verschiedene Sinneseindrücke miteinander zu verknüpfen“, erklärt Weiss-Blankenhorn die Befunde. Diese Ergebnisse belegen erstmals eindeutig die oft vermutete Bedeutung von Verknüpfungsprozessen („binding“) bei der Synästhesie.

Diese neuen Erkenntnisse sind aber nicht nur für die Neurowissenschaften interessant. „Dass die zusätzlichen Sinneseindrücke bei Synästhesie auf Unterschieden im Aufbau des Gehirns beruhen, hilft uns Ärzten, die Ursache von pathologischen Wahrnehmungen bei neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen besser zu verstehen“, so Professor Gereon Fink, Direktor der Klinik für Neurologie der Uniklinik Köln und am Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin.

(Forschungszentrum Jülich, 10.02.2009 – NPO)

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