Es ist ein weiteres Kapitel in einem mehr als 5.000 Jahre alten Mordfall: Neue Untersuchungen von Wissenschaftlern haben gezeigt, dass der als Eismumie konservierte Ötzi vor seinem Tod vermutlich gleich zweimal attackiert wurde.
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Dem Forscherteam der Universität München (LMU )gelang es in Zusammenarbeit mit einem Bozener Kollegen, die Chronologie der Verletzungen, die sich Ötzi in seinen letzten Tagen zugezogen hat, zu rekonstruieren. Ergebnis: Der Gletschermann überlebte den Pfeilschuss in seinen Rücken tatsächlich nur für sehr kurze Zeit – wenige Minuten bis höchstens einige Stunden -, erhielt aber vermutlich kurz vor seinem Tod zusätzlich noch einen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand auf den Rücken. Die Schnittwunde an seiner Hand ist dagegen einige Tage älter.
„Wir können jetzt erstmals Informationen über das Alter und den Zeitverlauf der Verletzungen liefern“, berichtet Professor Andreas Nerlich, Leiter der Studie, in der Fachzeitschrift „Intensive Care Medicine“ online. „Damit ist klar, dass Ötzi mindestens zwei Verletzungsereignisse in seinen letzten Tagen erlebt hat, was möglicherweise auf zwei getrennte Attacken schließen lässt. Obwohl die Eismumie schon vielfach untersucht worden ist, gibt es immer noch neue Ergebnisse. Der Krimi um Ötzi bleibt spannend!“
Mysteriöser Mann aus der Jungsteinzeit
Es ist die älteste Eismumie, die je gefunden wurde. Ötzi, der Mann aus der Jungsteinzeit, gibt der Wissenschaft vor allem auch mit seiner Ausrüstung wichtige Hinweise auf das Leben vor mehr als 5.000 Jahren. Seine Kupferaxt etwa zeigte erstmals, dass die Metallverarbeitung zu dieser Zeit sehr viel weiter fortgeschritten war als bislang angenommen. Doch auch Ötzis Körper liefert zahlreiche Details zu seiner Ernährung, seinem Gesundheitszustand – und nicht zuletzt zu seiner Ermordung.
„Vor einiger Zeit schon haben wir eine tiefe Schnittwunde an Ötzis Hand nachgewiesen, die er für mindestens ein paar Tage überlebt haben muss“, so Nerlich, Leiter des Instituts für Pathologie am Klinikum München-Bogenhausen und Mitglied der Medizinischen Fakultät der LMU. „Ein anderes Team hat etwa zeitgleich die Pfeilspitze in Ötzis linker Achsel gefunden. Der Pfeilschaft fehlt, es gibt aber eine Einschussstelle am Rücken.“
Ötzi innerlich verblutet
So gilt es unter Experten als wahrscheinlich, dass der Mann innerlich verblutet ist, weil eine Hauptschlagader getroffen wurde. Unklar waren aber das Alter und der genaue Zeitverlauf der Verletzungen.
Die fehlende Chronologie konnte Nerlich jetzt in Zusammenarbeit mit dem LMU-Forensiker Dr. Oliver Peschel und Dr. Eduard Egarter-Vigl, dem Leiter des Instituts für Pathologie in Bozen, rekonstruieren. Demnach hat Ötzi die Pfeilwunde tatsächlich nur um eine sehr kurze Zeitspanne, höchstens wenige Stunden, überdauert.
Wenige Zentimeter unterhalb des Einschusslochs findet sich zudem eine kleine Verfärbung der Haut, die wahrscheinlich von einem Schlag mit einem stumpfen Gegenstand herrührt. In beiden Fällen konnten die Forscher mit neuen immunhistochemischen Nachweisverfahren nur kurz überlebte, jedoch eindeutig vitale Blutungen feststellen.
Zwei Attacken in den letzten Tagen
Über der Wirbelsäule befinden sich weitere Verfärbungen, die nicht mit einer Blutung verbunden sind. Sie sind vermutlich nach dem Tod des Mannes entstanden, etwa durch die Lagerung. „Ötzi hat den Pfeilschuss und den Schlag auf den Rücken nur kurz überlebt“, fasst Nerlich zusammen. „Mindestens ein paar Tage vor seinem Tod hat er sich aber auch eine schwere Schnittwunde an der rechten Hand zugezogen. Im Laufe mehrerer Tage hat Ötzi also mindestens zwei Verletzungsereignisse erlitten – was auf zwei getrennte Attacken hindeuten könnte.“
(idw – Universität München, 29.01.2009 – DLO)