Biologie

Magenmikrobe erklärt Menschheitsgeschichte

Helicobacter pylori legt Besiedlung von Australien und dem Pazifik offen

Zwei verschiedene Formen des Magenbakteriums Helicobacter pylori zeigen, dass die Menschen auf unterschiedlichen Routen Australien und die pazifischen Inseln besiedelten. © MPI für Infektionsbiologie / Achtman

Mehr als die Hälfte der Erdbevölkerung trägt Helicobacter pylori-Bakterien in sich. Die Mikroben treten dabei auf verschiedenen Kontinenten in abgewandelter Form auf. Bisher unterschieden Biologen fünf Bakterienpopulationen. Forscher haben nun eine neue Population von Helicobacter pylori (Hp) entdeckt, die den Ureinwohnern Australiens und Neuguineas eine gemeinsame Wiege bescheinigt.

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Die in der aktuellen Ausgabe von „Science“ vorgestellte Studie des internationalen Wissenschaftlerteams um Mark Achtman vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin beziehungsweise von der Universität Cork in Irland bestätigt und ergänzt zudem die Studien von Archäologen, Sprachwissenschaftlern und Humangenetikern: Der Pazifik wurde in zwei Wellen von Einwanderern besiedelt.

Urahnen des modernen Menschen lebten vor mehr als 30.000 Jahren

Die ältesten Ahnen des modernen Menschen lebten schon vor 31.000 bis 37.000 Jahren in Australien und Neuguinea. Sie kamen durch eine Völkerwanderung aus Asien, die von der Helicobacter-Population hpSahul begleitet wurde.

Die Wissenschaftler fanden dieses Bakterium bei den Ureinwohnern Australiens sowie der Hochebene Neuguineas, die wahrscheinlich während der letzten Eiszeit von Asien nach Sahul zogen. Damals hatten sich Australien, Neuguinea und Tasmanien zum Kontinent Sahul vereinigt.

HspMaori, eine Unterart der Population hpOstasien, war das zweite Bakterium, das eine Völkerwanderung im Pazifik begleitete. Seine Verbreitung im Magen der meisten Ureinwohner Taiwans, Melanesiens und Polynesiens belegt die zweite große Völkerwanderung von Taiwan aus in Richtung Melanesien und Polynesien.

Mikrobe hilft Völkerwanderungen zu rekonstruieren

Achtman beschäftigt sich seit 1998 mit Helicobacter pylori. Das Buch „Guns, Germs and Steel“ von Jared Diamond, das die Entwicklung der Völker in Europa und Asien beschreibt, brachte ihn auf die Idee, Völkerwanderungen mithilfe des Magenbakteriums nachzuvollziehen. Die aktuelle Studie baut auf Ergebnisse auf, die der Wissenschaftler in früheren Untersuchungen gewann.

„Mittlerweile ist bekannt, dass Helicobacter pylori regional verschieden ist“, erklärt Achtman. „Vor etwa zehn Jahren entdeckten wir, dass sich die Bakterien in Europa von denen in China unterscheiden. 2003 konnten wir zeigen, dass eine Art der Bakterien mit den Sklaven nach Nordamerika kam.“ Als Achtman schließlich im Jahr 2004 in Nordindien unterschiedliche Bakterien bei Muslimen und Buddhisten fand, sei ihm endgültig klar gewesen, dass sich Völkerwanderungen anhand der Helicobacter pylori gut darstellen lassen.

Perfekte internationale Zusammenarbeit

Die Proben, auf denen die aktuellen Untersuchungen basieren, stammen aus verschiedenen Quellen. In einigen Ländern bekamen die Wissenschaftler diese direkt von Ärzten und Krankenhäusern zur Verfügung gestellt. In anderen Ländern vermittelten die Mediziner ihnen Ureinwohner, die bereit waren, sich an der Studie zu beteiligen. So nahmen Highlander aus Neuguinea ebenso teil wie Nachfahren der Ureinwohner Australiens, die mitten in der australischen Wüste leben. Der japanische Wissenschaftler Yoshio Yamaoka lieferte die Bakterien aus Taiwan. Barry Marschall, Nobelpreisträger von 2005, und Helen Windsor haben die Studie mit Magenkeimen aus Australien unterstützt.

„Erstaunlich ist, dass in keiner der Stichproben hpSahul und hspMaori nebeneinander existierten“, erklärt Achtman. Das habe er bisher bei keiner seiner Studien erlebt. Dafür wären drei Erklärungen möglich: Entweder haben die verschiedenen Ureinwohner untereinander wenig Kontakt oder eine Bakterienpopulation ist robuster ist als das andere und verdrängt diese. Es könnte darüber hinaus auch ein bislang nicht untersuchtes Gebiet geben, wo hpSahul und hspMaori nebeneinander leben.

„Das Inselreich des Pazifik ist so groß, dass es nicht möglich war, alle Inseln in dieser Untersuchung zu berücksichtigen“, erklärt Achtman. Der Forscher, der jetzt an der Universität Cork arbeitet, würde gerne mehr pazifische Inseln untersuchen, um diese Frage besser beantworten zu können.

(MPG, 23.01.2009 – DLO)

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