Ein internationales Wissenschaftlerteam hat ein neues Immundefekt-Syndrom entdeckt, das durch Mutationen im Gen G6PC3 hervorgerufen wird. Die so genannte schwere kongenitale Neutropenie ist eine seltene Erkrankung, sie betrifft weniger als einen von 100.000 Neugeborenen.
{1r}
Sie zeichnet sich durch ein Fehlen der neutrophilen Granulozyten aus, die betroffenen Patienten entwickeln daher schwere bakterielle Infektionen. Außerdem haben die Patienten ein deutlich erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens eine Leukämie zu entwickeln. Die Forscher berichten über die Ergebnisse ihrer Studie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“.
Neuer Signalweg des Glucose-Stoffwechsels aufgedeckt
„Mit unserer Entdeckung verstehen wir nun sehr viel besser, wie die neutrophilen Granolozyten, die Fresszellen des Blutes, funktionieren. Außerdem wird es möglich, bei Patienten mit schwerer kongenitaler Neutropenie eine exakte genetische Diagnose zu stellen“, sagt Professor Dr. Christoph Klein von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). „Das Wissen um die genetischen Grundlagen ist auch der erste Schritt für eine zielgerichtete Therapie im Sinne einer Gentherapie.“
Die aktuellen Forschungsergebnisse weisen zudem auf einen neuen Signalweg des Glucose-Stoffwechsels in den Blutzellen hin, der für das Überleben der Immunzellen wichtig ist. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass es eine Verbindung zwischen der Verfügbarkeit von Glukose in den Zellen und der zellulären Stress-Antwort gibt. Dies könnte auch für eine Reihe weiterer Stoffwechselerkrankungen von Bedeutung sein.
„Es könnte neue Möglichkeiten für therapeutische Manipulationen eröffnen, die nicht nur für Patienten mit einer kongenitalen Neutropenie, sondern auch für Patienten mit andere Bluterkrankungen, wie zum Beispiel Leukämien, von Bedeutung sind“, erläutert Dr. Kaan Boztug, der Erstautor der Studie.
Patienten aus verschiedenen ethnischen Gruppen
In den vergangenen Jahren hat das Team um Klein mehrere neue Gendefekte identifiziert, die zu schweren kongenitalen Neutropenien führen. Der G6PC3-Defekt wurde zunächst in einer Familie aramäischer Herkunft aufgespürt, die im Internationalen Register für chronische Neutropenien registriert war. Darüber hinaus fanden die Forscher weitere Patienten aus verschiedenen ethnischen Gruppen. Elf der zwölf Patienten zeigten zusätzlich Fehlbildungen des Herzens oder des Urogenitalsystems, zehn waren durch eine ungewöhnliche Venenzeichnung charakterisiert.
Diese Symptome wurden in der Vergangenheit nicht mit der kongenitalen Neutropenie in Verbindung gebracht und definieren daher nun ein neues klinisches Syndrom, das durch G6PC3-Mutationen hervorgerufen wird.
Höheres Risiko für Leukämien?
„Diese Veröffentlichung ist sehr wichtig für die ärztliche Betreuung von Patienten mit schwerer kongenitaler Neutropenie“, führt Professor Dr. David Dale von der University of Washington aus.
Und weiter: „Wir wissen noch nicht, ob die Patienten mit G6PC3-Defekt ein erhöhtes Risiko für Leukämien haben. Das Wissen um die G6PC3-Mutationen erhöht nun auch die Aufmerksamkeit für weitere Krankheitszeichen des Herzens oder der Nieren, was für die Patienten von großer Bedeutung ist.“
(idw – Medizinische Hochschule Hannover, 07.01.2009 – DLO)