Einen bisher unbekannten Augentyp hat ein internationales Forscherteam jetzt während einer Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff „Sonne“ bei einem Wirbeltier aus der Tiefsee entdeckt. Mit dem Prinzip einer so genannten abbildenden Spiegeloptik kann der Gespensterfisch Dolichopteryx longipes auch nach unten schauen und zum Beispiel Raubfische in der Nähe erkennen, berichten die Wissenschaftler in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift „Current Biology“.
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In die Tiefsee gelangt kein Tageslicht. Es gibt jedoch viele verschiedene Tiefseelebewesen, die selbst Licht erzeugen und als Signal einsetzen – diese Fähigkeit wird Biolumineszenz genannt. Die Lichtreize sind nicht sehr hell, daher sind die Augen der Tiefseefauna auf höchste Empfindlichkeit optimiert.
Augen erreichen eine maximale Empfindlichkeit, wenn sie eine möglichst große Eingangsöffnung (Pupille) besitzen. Dies ist vor allem bei sehr großen Augen der Fall, wie sie zum Beispiel bei nachtaktiven Eulen zu finden sind. Für große Augen wird auch ein großer Kopf gebraucht – was aber für die Hydrodynamik zu Nachteilen führt: Ein kleiner Fisch mit einem großen Kopf verdrängt viel Wasser und muss beim Schwimmen hohe Widerstände überwinden.
Röhrenaugen als Kompromiss
Als Kompromiss haben viele Tiefseefische so genannte Röhrenaugen ausgebildet, die einen zylindrischen Ausschnitt aus den üblichen eher kugelförmigen Kameraaugen darstellen und damit weniger Raum benötigen. Solche Röhrenaugen, die fälschlich oft auch als Teleskopaugen bezeichnet werden, haben jedoch einen wichtigen Nachteil: Sie engen das Gesichtsfeld kritisch ein. In vielen Fällen können diese Tiere nur nach vorn beziehungsweise oben schauen. Gegenüber den beiden seitlich liegenden „Normalaugen“ mit einem Rundumblick ist das eine schwerwiegende Einschränkung.
Die von Professor Hans-Joachim Wagner vom Anatomischen Institut der Universität Tübingen zusammen mit Forschern aus England und den USA entdeckte Gespensterfischart verfügt auch über ein solches nach oben ausgerichtetes Röhrenauge mit der üblichen Linsenoptik. Zusätzlich haben die Wissenschaftler jedoch noch eine seitliche Aussackung des Röhrenauges gefunden, die nach unten eine durchsichtige „Hornhaut“ besitzt.
In mikroskopischen Serienschnitten konnten sie an deren Innenwand eine sphärische Spiegelstruktur beobachten und gegenüber an der Außenwand eine Netzhaut (Retina). Die Spiegelstruktur enthält präzise angeordnete Kristalle aus Guanin.
Modellrechnungen belegen Effektivität der Augen
Modellrechnungen der Wissenschaftler haben ergeben, dass dieser Spiegel Lichtstrahlen exakt auf der Fotorezeptorebene der Retina abbildet. Dieses Spiegelauge erlaubt der Fischart daher, auch zu sehen, was unter ihr vorgeht.
Abbildende Spiegelkonstruktionen haben gegenüber Linsensystemen in Augen den wichtigen Vorteil, dass sie mit größeren Eingangsöffnungen arbeiten und damit lichtstärker, also empfindlicher sind. Sie werden daher auch in technischen Systemen wie Teleskopen eingesetzt. In der Biologie finden sich abbildende Spiegelaugen bei einer Reihe von wirbellosen Tieren – in Kameraaugen von zum Beispiel Jakobsmuscheln und Muschelkrebsen und in Facettenaugen wie zum Beispiel bei Hummern.
Im Gegensatz dazu war bei Wirbeltieren bisher als einziger Augentyp das Kameraauge mit Linse bekannt. Die Wissenschaftler schließen aus ihrer Beobachtung, dass die Evolution von Augensystemen bei Wirbeltieren weniger konservativ verlaufen ist als bisher angenommen.
(idw – Universität Tübingen, 05.01.2009 – DLO)