Die Evolution von Lebewesen kann offenbar unter ähnlichen Bedingungen zu gleichen Resultaten führen, auch wenn sie völlig unabhängig voneinander verläuft: Das hat nun ein internationales Forscherteam erneut belegt. So gehen zwei spezielle Formen flügelloser Insekten aus der Gruppe der Stab- und Gespenstschrecken, die als „Baumhummer“ bezeichnet werden, nicht auf einen gemeinsamen Vorfahren zurück, obwohl sie sich in Gestalt und Verhalten verblüffend ähneln.
Die Wissenschaftler berichten über die Ergebnisse ihrer molekularbiologischen Studie zu den Verwandtschaftsverhältnissen der Tiere in der Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society B“.
Ratten vernichteten Tierwelt
Baumhummer sind mit nur wenigen Dutzend Arten im Pazifik auf Papua-Neuguinea und Neukaledonien zuhause. Ursprünglich waren sie auch auf der Lord Howe Insel östlich von Australien zu finden, bis nach der Strandung eines Dampfschiffes 1918 Ratten auf das Eiland gelangten und die einzigartige Tierwelt vernichteten.
Der Baumhummer Dryococelus australis galt dort 1986 offiziell als ausgestorben, bis im Februar 2001 sensationell eine kleine Population wiederentdeckt wurde – nicht etwa auf Lord Howe, sondern auf einem kargen Felsen 23 Kilometer entfernt inmitten der Tasmanischen See.
Verwandtschaftliche Beziehungen von Stab- und Gespenstschrecken untersucht
Bislang sind Wissenschaftler davon ausgegangen, dass die Verwandten dieses seltenen Insekts – der Baumhummer Eurycantha horrida – auf Neuguinea leben. Die Forscher um dem Evolutionsbiologen und Zoologen Sven Bradler von der Universität Göttingen kommen zusammen mit neuseeländischen Kollegen jetzt jedoch zu einem anderen Ergebnis. Sie haben die verwandtschaftlichen Beziehungen von 79 Stab- und Gespenstschrecken mit Hilfe von DNA-Sequenzen untersucht.
Parallele Entwicklung
Nach ihrer Analyse gibt es keine Verbindungen zwischen den Baumhummern auf Lord Howe und Neuguinea, trotz großer Ähnlichkeit: Die Insekten sind flugunfähig, von gedrungener kräftiger Gestalt und verbergen sich tagsüber in bodennahen Hohlräumen. Die Männchen setzen ihre stark verdickten Hinterschenkel zur Verteidigung ein. Evolutiv sind sie aus grazilen, geflügelten Stabschrecken hervorgegangen.
„Die Anpassung an einen vergleichbaren Lebensraum und der damit verbundene Selektionsdruck haben vermutlich zu dieser parallelen Entwicklung geführt“, erläutert Bradler.
(idw – Universität Göttingen, 17.12.2008 – DLO)