Zum ersten Mal sind Wissenschaftler Zeugen geworden, wie inmitten eines Kontinents die Erde aufreißt und geschmolzenes Gestein an die Oberfläche gedrückt wird. Ein solches „Dyking-Ereignis“ gilt als einer der Schlüsselfaktoren für die Plattentektonik und damit für die Prozesse, die das Antlitz der Erde bis heute prägen.
Die Kruste der Erde ist in mehrere unterschiedlich große Platten unterteilt, die sich fortwährend gegeneinander bewegen. Im Laufe der Erdgeschichte brachen dabei auch mehrfach große Kontinente auseinander. Wie aber kann dies geschehen? Für die dünnere ozeanische Kruste ist der Mechanismus bekannt: in so genannten „Dyking Events“ quillt geschmolzenes Gestein an die Oberfläche und schiebt sich zwischen zwei Platten. Als so genannte „Gesteinsgänge“ sind solche Intrusionen auch Jahrmillionen später noch sichtbar. Für die viel dickere kontinentale Kruste jedoch war dies bisher noch nie beobachtet worden – bis jetzt.
Magmawall schiebt sich zwischen zwei Platten
„Um einen Kontinent zu zerbrechen, muss erst die Festigkeit der Lithosphäre überwunden werden“, erklärt Eric Calais, Professor für Geophysik an der Purdue Universität und einer der Wissenschaftler, die nun in Tansania Zeugen dieses Ereignisses geworden sind und darüber in der aktuellen „Nature“ Ausgabe berichten. „Aber wenn wir die Kräfte der Plattentektonik berechnen, stellen wir fest, dass sie nicht stark genug sind um dies zu schaffen. Wir wissen aber, dass Kontinente sich spalten können und dass dies in der Vergangenheit auch mehrfach geschehen ist. Wie aber kann das geschehen? Eine Möglichkeit ist es, dem System immer wieder einen kleinen Schubs zu geben – und das ist genau das, was Dyke-Intrusionen tun.“
Während einer solchen Intrusion dringt Magma aus tiefen Reservoiren durch das umgebende Gestein und steigt in Richtung Oberfläche. Dabei drückt es das Gestein auseinander und schwächt im Laufe der Zeit durch seine Hitze die Lithosphäre an dieser Stelle. Das Magma füllt aufreißende Spalten und Risse bei seinem Aufstieg. Nach und nach entsteht so ein senkrechter Magmawall, der die Erdkruste an dieser Stelle auseinander drückt.
„Wenn diese Ereignisse sich Millionen von Jahre lang immer wiederholen, bildet sich letztendlich ein Ozean zwischen den beiden Platten“, erklärt Calais. „Solche Dyking-Events sind Bestandteil der Theorien, aber Wissenschaftler sind noch niemals zuvor zur richtigen Zeit am richtigen Ort und mit dem richtigen Instrumentarium präsent gewesen, um sie aufzunehmen.“ Die ersten Stadien einer solchen Ozeanbildung haben die Forscher jetzt jedoch in Tansania erstmals beobachtet.
Minibeben als Indiz für Ungewöhnliches
Im Sommer 2007 weckte eine Reihe von kleineren Erdbeben im Norden Tansanias die Aufmerksamkeit des internationalen Forscherteams, das sich zu diesem Zeitpunkt in Nairobi in Kenia aufhielt. Es zeigte sich, dass die Beben vom Lake Natron, einer Senke in der Nähe des Ostzweigs des Ostafrikanischen Grabenbruchs ausgingen. Französische Forscher hatten in dieser Region bereits früher Seismometer ausgelegt, diese registrierten bis zu 600 Beben innerhalb von zwei Wochen. Tansanische Geologen stellten GPS-Messungen des Gebiets zur Verfügung, die Calais mit früheren Werten verglich um mögliche Verschiebungen zu identifizieren.
Tatsächlich hatte sich der Untergrund im Natrongebiet verschoben – allerdings zu stark, um allein durch die Erdbeben erklärt werden zu können. Etwas Ungewöhnliches musste geschehen sein. „Bald nach diesen Erdbeben trat einer der Vulkane in diesem Gebiet in eine explosive eruptive Phase ein, was darauf hinwies, dass Magma beteiligt war“, so Calais. „Wir kamen auf den Gedanken, es könne sich um ein Dyking-Event handeln.”
Erst die Datenkombination belegt das Ereignis
Gemeinsam mit Kollegen in Luxemburg wertete der Wissenschaftler daraufhin Radar-Interferometrie-Daten aus, die detaillierte Aufnahmen der Bodenbewegungen lieferten. Ein belgisches Team untersuchte parallel dazu den Untergrund vor Ort und kartierte mehr als 20 Kilometer offener Spalten, die die InSAR-Daten bestätigten. Insgesamt hinterließ das Ereignis einen Wall aus Magma, der sich auf knapp zehn Kilometer Länge und eineinhalb Meter Breite zwischen die Platten geschoben hatte.
„Erst nachdem wir alle Messungen hatten, besonders die InSAR-Daten, war klar das die Kombination aller Werte nur durch das Eindringen eines Dykes zu erklären war“, so Calais. „Das Ereignis wurde durch ein langsames Gleiten der tektonischen Platten entlang einer Verwerfung eingeleitet – auch so etwas war zuvor nie beobachtet worden. Verwerfungen bewegen sich normalerweise plötzlich und erzeugen dabei Erdbeben, aber dies war eine seismisch sehr stille Abfolge von Ereignissen, die rund eine Woche andauerte.“
Dyking am Grabenbruch schon seit Jahrzehnten?
Der Forscher schließt nicht aus, dass es in den letzen Jahrzehnten schon mehrere solcher Dyking-Events entlang des Ostafrikanischen Grabens gegeben hat, da sie nur schwer nachzuweisen sind. „Wenn es Belege dafür gibt, dass sich solche Events in der jüngsten Vergangenheit ereignet haben, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass sie nicht auch in den letzen Millionen Jahren stattgefunden haben“, so der Forscher. „Dies könnte ein wichtiger Beitrag zur Dynamik des Ostafrikanischen Grabenbruchsystems sein.“
Die Wissenschaftler wollen nun die Region weiterhin beobachten um mögliche Folgen des Ereignisses aufzuzeichnen. „Wenn ein großes Ereignis wie dieses geschieht, verändert sich der Stresszustand der oberen Schichten der Erde und wir erwarten, dass dadurch weitere Ereignisse folgen”, so Calais. „Andere Magmareservoire könnten berührt worden sein und ein weiteres Dyking-Event auslösen. Es wird eine Weile dauern bis sich das System wieder entspannt und in sein Ruheverhalten übergeht.“
(Purdue University, 11.12.2008 – NPO)