Geowissen

Polarforschung: Neue „Allzweckwaffe“ nimmt Gestalt an

Technisches Design für neuen Forschungseisbrecher Aurora Borealis abgeschlossen

Ansicht der Aurora Borealis © Alfred-Wegener-Institut / SCHIFFKO PRV 200 visualisiert von quitte|pruin architekten, Hamburg

Das geplante neue europäische Forschungsschiff „Aurora Borealis“ nimmt allmählich Gestalt an: Gestern stellte das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Berlin das technische Design der neuen „Allzweckwaffe“ vor. Aurora Borealis soll ein einzigartiges Schiff werden – eine Kombination aus Eisbrecher, Bohrschiff und Mehrzweck-Forschungsschiff, das zu allen Jahreszeiten für den Einsatz in den Polarmeeren geeignet ist.

Eine entsprechende Finanzierung vorausgesetzt, sollen die Vorbereitungen für den Bau des Schiffes 2011 abgeschlossen werden. Mit dem ersten Einsatz der Aurora Borealis wäre dann im Jahr 2014 zu rechnen.

Anspruchsvollstes Forschungsschiff weltweit

Deutschland hat sich mit dem seit mehr als 25 Jahren in den Polarmeeren operierenden Forschungsschiff Polarstern, das vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut betrieben wird, einen sehr guten Ruf erworben. „Polarstern“ wird der deutschen Forschung als unverzichtbarer Bestandteil auch weiterhin zur Verfügung stehen. Mit der Aurora Borealis soll die Wissenschaft nun aber zusätzliche Verstärkung erhalten.

Forschungseisbrecher der Größe und Leistungsfähigkeit für den ganzjährigen autonomen Einsatz in den Polargebieten gibt es bislang weltweit weder im kommerziellen Sektor noch im wissenschaftlichen Einsatz. Die Aurora Borealis wird somit erstmals ganzjährige Expeditionen in die extremsten, bisher kaum erforschten Regionen unserer Erde ermöglichen und damit Erkenntnisse über die Geschichte, die klimatische Entwicklung und die heutige Umwelt der Polargebiete liefern.

Klimafragen lösen

Wer die ungelösten Fragen unseres Klimas klären will, muss die Arktis bereisen, um Bohrungen auszubringen – und er muss gegen Packeis gewappnet sein. Die Aurora Borealis wird daher einen Bohrturm tragen, mit dem bis zu einer Wassertiefe von 5.000 Metern noch einmal 1.000 Meter in das Sediment gebohrt werden kann.

Wissenschaftliche Tiefbohrungen werden damit erstmals selbst im treibenden Packeis, ohne Unterstützung durch andere Eisbrecher, möglich sein. Um diese Tiefbohrungen durchführen zu können, muss die Aurora Borealis im driftenden Eis exakt auf Position gehalten werden. Dazu braucht sie ein eisfähiges, dynamisches Positionierungssystem – ein absolutes Novum in der Schifffahrt. Nach umfangreichen Modelltests in den Eistanks der Hamburgischen Schiffbau Versuchsanstalt (HSVA) und bei Aker Arctic in Helsinki konnte nun nachgewiesen werden, dass Aurora Borealis bei einer Eisdecke von wenigstens zwei Metern tatsächlich dynamisch positionieren kann.

Querschnitt durch die Aurora Borealis mit "Moonpool" © Alfred-Wegener-Institut / SCHIFFKO PRV 200 visualisiert von quitte|pruin architekten, Hamburg

„Moon Pools“ als Besonderheit

Eine weitere Besonderheit des neuen Forschungsschiffes sind laut dem AWI ihre zwei sieben mal sieben Meter großen „Moon Pools“ – durchgehende Schächte in der Mitte des Schiffsrumpfes, durch die Techniker und Wissenschaftler Geräte in die See absenken können, ohne Wind und Wellen ausgesetzt zu sein. Über dem hinteren Moon Pool wird der Bohrturm stehen, der vordere ist allen anderen wissenschaftlichen Arbeiten vorbehalten und erlaubt es erstmals, auch sehr empfindliche und teure Geräte, wie ferngesteuerte oder autonome Roboter unter einer geschlossenen Eisdecke auszubringen.

Rings um diesen Moon Pool werden auf mehreren Decks die Laboratorien angeordnet sein, gestaltet als Atrium mit Rundgang und Geländern. Hier sind außerdem zahlreiche Stellplätze für zusätzliche wissenschaftliche Laborcontainer vorgesehen, so dass das Schiff für jede Forschungsexpedition optimal mit Laboratorien ausgerüstet werden kann.

Europäische Kooperation

Das wohl anspruchsvollste Forschungsschiff weltweit soll als europäische Kooperation realisiert werden. Die europäischen Nationen haben großes Interesse daran, die arktische Umwelt und deren potenzielle Veränderungen zu verstehen, da ihre Territorien teilweise bis in die hohen nördlichen Breiten reichen und Europa in ständigem Austausch mit und unter dem Einfluss der arktischen Umwelt steht.

Deshalb wurde Aurora Borealis als eines von nur sieben Großforschungsprojekten der Sektion „Environmental Sciences“ in die Liste des „European Strategy Forum on Research Infrastructures“ (ESFRI) der Europäischen Kommission im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm aufgenommen. Daraufhin haben 15 Institutionen und Gesellschaften aus zehn europäischen Ländern einschließlich Norwegens und der Russischen Föderation im Jahr 2008 das „European Polar Research Icebreaker Consortium“, genannt ERICON gegründet, das von der Europäischen Kommission mit 4,5 Millionen Euro gefördert wird.

(idw – Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 04.12.2008 – DLO)

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