Die Suche nach dem ältesten Eis und die Erforschung der geologischen Struktur der rätselhaften „Gamburtsev Mountains“ stehen im Mittelpunkt einer internationalen Expedition in die Ostantarktis, die Mitte November 2008 beginnt. Die Wissenschaftler erhoffen sich von der zweimonatigen Reise zudem wichtige Aufschlüsse über die Entwicklung des gesamten Eisschildes in der Südpolregion. Die AGAP-Expedition (Antarctica’s Gamburtsev Province) ist eines der zentralen Forschungsprojekte innerhalb des Internationalen Polarjahres (IPY) 2007/08.
„AGAP ist eine der wichtigsten Antarktis-Expeditionen der letzten Jahrzehnte. Das Projekt bündelt auf einzigartige Weise das wissenschaftliche Know-how eines internationalen Forschungsteams mit dem Ziel, auch Antworten auf grundlegende Fragen zur Natur und zur Entwicklung des südlichsten Kontinents zu erhalten“, erklärt Detlef Damaske, Leiter des Teams der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) aus Hannover. Zusammen mit Kollegen aus insgesamt sechs Nationen machen sich die BGR-Forscher in Kürze auf den Weg ins ewige Eis.
Gamburtsev Mountains – Geburtsort der großen Vereisung?
Die Expeditionsteilnehmer halten es für möglich, dass das 1957/58 von sowjetischen Wissenschaftlern entdeckte Gebirge der Gamburtsev Mountains Geburtsort der großen Vereisung der zentralen Antarktis ist, die hier vermutlich vor 30 Millionen Jahren ihren Anfang nahm. „Wir suchen bei diesem Projekt auch das älteste Eis der Antarktis“, so Damaske.
Die Erforschung der geologischen Struktur dieses Gebirgszuges und die damit verbundene Entwicklung des antarktischen Eisschildes gehören mit zu den herausragenden Zielen im Internationalen Polarjahr. In diesem Zusammenhang erhoffen sich die Wissenschaftler aus den USA, Großbritannien, Australien, China, Japan und Deutschland auch neue Aufschlüsse über den Klimawandel.
Gebirge bisher kaum untersucht
Die Gamburtsev Mountains sind von einer mehrere Kilometer dicken Eisschicht bedeckt und liegen in der Nähe des so genannten „Pols der Unzugänglichkeit“, einem der am wenigsten zugänglichen Gebiete der Antarktis. Das ist auch einer der Gründe, warum das Gebirge nach seiner Entdeckung vor 50 Jahren bisher kaum untersucht worden ist.
„Im Grunde weiß man nicht mehr, als dass es sich um ein mehr als 300.000 Quadratkilometer umfassendes Gebirge in der Mitte der Ostantarktis handelt, das vollkommen vom antarktischen Inlandeis bedeckt ist“, so Geophysiker Damaske. „Ob dieses Gebirge unter der dem Eis ein einfaches Hochland ist, alpinen Charakter hat und aus welchen Gesteinen es besteht, ist vollkommen unklar. Auch die Verbindung mit anderen Strukturen, wie den subglazialen Seen oder Grabensystemen ist unbekannt.“
Mit Hilfe von luft- und bodengestützten geophysikalischen Vermessungen – bei denen das Magnetfeld und das Schwerefeld, sowie die Eismächtigkeit untersucht werden sollen –, seismologischen Beobachtungen und schließlich Bohrungen durch den Eispanzer zur Gewinnung von Gesteinsproben, wollen die Wissenschaftler nun endlich genauere Erkenntnisse über die Region gewinnen. „Die Auswertung und Interpretation des Materials wird sicherlich ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen“, erklärt Damaske.
Logistische Herausforderung
Das AGAP-Projekt ist aufgrund der großen Entfernungen zu den Küstenstationen, der enormen Höhen des bis zu 4.100 Meter aufragenden Inlandeises, sowie der auch im antarktischen Sommer extremen Temperaturen von bis zu minus 40 Grad Celsius, logistisch eine große Herausforderung. Als Basislager für die großflächige Erkundung dienen zwei Arbeitscamps, die 800 Kilometer voneinander entfernt liegen. Für die aerogeophysikalischen Untersuchungen – Schwerpunkt der BGR-Arbeiten bei diesem Projekt – werden vom „US Antarctic Program“ und vom „British Antarctic Survey“ zwei Flugzeuge vom Typ „Twin Otter“ eingesetzt.
(Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), 31.10.2008 – DLO)