Neu entwickelte dünne Schichten rollen sich selbst zu Mikro- und Nanoröhren zusammen und sausen mit eigenem Antrieb und von Magneten gesteuert durchs Wasser. Dies berichten Dresdner Wissenschaftler jetzt in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Advanced Materials“.
Nach dem Vorbild biologischer Mikroorganismen sollen künstliche Mikromaschinen in Zukunft die chemische Energie ihrer Umgebung nutzen und sie für die eigene Fortbewegung verwenden. Für derartige Mikro- und Nanoraketen mit eigenem Antrieb gibt es bereits konkrete Ideen. So können Sauerstoffblasen, die sich bei der Aufspaltung von Wasserstoffperoxid zu Wasser und Sauerstoff innerhalb einer Mikro- oder Nanoröhre bilden, für den gewünschten Vortrieb dieser Röhren sorgen.
Schichten unter Spannung
Problematisch ist bisher noch die Kontrolle der Bewegungsrichtung und der Geschwindigkeit. Hierzu haben Forscher des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden (IFW) neue Ergebnisse vorgelegt.
In „Advanced Materials“ berichten sie von aufgerollten Nanomembranen aus Titan, Eisen, Gold und Silber. Diese werden durch die Technologie des Verspannungs-getriebenen Aufrollens dünner Schichten hergestellt. Dabei werden dünne Schichten so auf Oberflächen abgeschieden, dass in den Schichten eine mechanische Spannung besteht.
Beim Ablösen der Schichten wird ein Teil der Verspannungsenergie freigesetzt, so dass sich die Schicht aufrollt oder verformt. Auf diese Weise können Nano- und Mikroröhren mit großer Präzision in bestimmten Durchmessern und aus ganz verschiedenen Materialien reproduzierbar hergestellt werden.
Röhren mit Silberbeschichtung
Nach dem Aufrollen der Titan-, Eisen-, Gold, Silberschichten entstehen Röhren, deren innerste Schicht aus Silber besteht. Diese dient gleichzeitig als Katalysator in der Reaktion von Wasserstoffperoxid zu Wasser und Sauerstoff. Die dabei gebildeten Sauerstoffblasen werden nach Angaben der Wissenschaftler aus den Röhren gestoßen und verursachen eine schnelle und gerichtete Bewegung der Minirakete.
Die mittlere Geschwindigkeit von circa 0,15 Millimetern pro Sekunde setzt sich dabei aus einzelnen Schüben zusammen, die Werte bis zu 0,72 Millimeter pro Sekunde erreichen und von der Flüssigkeit ausgebremst werden. Relativ zur Größe des Objekts betrachtet, sind die Miniraketen damit schneller als jeder uns bekannte Fisch. Da die Röhren auch eine Schicht Eisen enthalten, kann ihre Bewegungsrichtung bequem durch ein äußeres Magnetfeld ferngesteuert werden.
Miniraketen als Testvehikel
Für Objekte mit Größen im Mikro- und Nanometerbereich wird Wasser zu einer extrem zähflüssigen Substanz. Die Miniaturraketen stellen perfekte Testvehikel dar, um Bewegung, Beschleunigung und Richtungsänderungen von Bakterien und Viren in dieser veränderten Welt zu verstehen und zu imitieren, so die Forscher.
Irgendwann wollen sie komplexe Nanomaschinen konstruieren und herstellen, die zum Beispiel in der Lage sind, kleinste Mengen von Medikamenten zu transportieren und gezielt an einem geeigneten Ort abzuliefern.
(idw – Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden, 21.10.2008 – DLO)