Wie schafft es unser Gehirn, dass wir in einer Stadt ständig wissen, wo sich Gebäude oder Straßen befinden, auch wenn wir diese gerade gar nicht sehen können? Und warum können dies beispielweise Demenzkranke nicht? Bei der Antwort auf diese Fragen sind Hamburger Forscher jetzt einen entscheidenden Schritt weiter gekommen. Sie haben herausgefunden, dass ein bestimmtes Hirnareal, der so genannte Präcuneus, eine wichtige Rolle beim Aufbau mentaler Landkarten spielt.
{1r}
Das Team des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) um Dr. Thomas Wolbers und Professor Dr. Christian Büchel vom Institut für systemische Neurowissenschaften berichtet über seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Nature Neuroscience“.
Eintauchen in virtuelle Welten
Die UKE-Wissenschaftler zeigten in ihrer Studie 50 Versuchspersonen virtuelle Welten, in denen für wenige Sekunden geometrische Objekte zu sehen waren. Die Probanden mussten sich die Position jedes Objekts genau einprägen, denn wenig später wurden sie durch die Welt gefahren und mussten am Ende in die Richtung zeigen, in der sich ein nun nicht mehr sichtbares Objekt befand. Während des Versuchs, lagen die Probanden in einem Kernspintomographen. So konnten zeitgleich die Gehirnaktivitäten gemessen werden.
Die Analyse der Gehirnaktivierung durch die Forscher zeigte, dass die Aktivität eines bestimmten Hirnareals, des Präcuneus, anfänglich umso stärker war, je mehr Positionen sich die Versuchspersonen merken mussten. Sobald die Fahrt durch die virtuelle Welt begann, stieg diese Aktivität noch weiter an. Da in einer Kontrollbedingung ohne Bewegung dieser Aktivierungsanstieg nicht zu beobachten war, schlossen die Forscher, dass der Präcuneus die Positionen von Objekten ständig aktualisiert, während ein Mensch sich in seiner Umwelt bewegt.
Konsequenzen für Diagnose und Therapie?
Die Ergebnisse zeigen erstmals, welche Funktionen der Präcuneus beim so genannten räumlichen Aktualisieren erfüllt, einem der grundlegenden Prozesse für den Aufbau mentaler Landkarten. Da die räumliche Orientierung nach Gehirnschädigungen – beispielsweise nach einem Schlaganfall oder bei Demenzerkrankungen – häufig beeinträchtigt ist, können sich durch die Studienergebnisse nach Angaben der Wissenschaftler Konsequenzen für die Diagnose- und Therapiemöglichkeiten von Patienten mit Gehirnschäden ergeben.
(idw – Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, 15.10.2008 – DLO)