Ökologie

Abholzung bedroht Schimpansen

Dramatischer Rückgang der Population in der Elfenbeinküste

Gogol, ein erwachsenes Männchen und Mitglied einer Schimpansengruppe im Tai Nationalpark, wurde vermutlich von Wilderern im Februar 2008 getötet. Im Marahoué Nationalpark wird illegal gerodet. Der Regenwald muss Kakaoplantagen weichen. © MPI für evolutionäre Anthropologie / Geneviève Campbell / Sonja Metzger

Forscher haben erstmals seit 17 Jahren an der westafrikanischen Elfenbeinküste Schimpansen gezählt und dabei festgestellt, dass die Population innerhalb von nur einer Generation so dramatisch zurückgegangen ist, dass die Tiere dort in vielen Regionen bereits ganz verschwunden sind. Gründe dafür sind vor allem Waldrodungen und Wilderei.

Diese Ergebnisse unterstreichen, wie nötig ein präzises, regelmäßiges und systematisches Monitoring dieser frei lebenden Populationen ist, um unsere nächsten Verwandten vor dem Aussterben zu bewahren, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Current Biology“.

Unsere nächsten lebenden Verwandten, die Menschenaffen, werden auf der Roten Liste gefährdeter Arten der Weltnaturschutzunion (IUCN, International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) als „gefährdet“ oder sogar „stark gefährdet“ eingestuft. Ihre Populationen gehen in ihren Ausbreitungsgebieten immer stärker zurück. Gefährdet sind die Menschenaffen hauptsächlich durch Wilderei, die Zerstörung ihrer Lebensräume und durch Krankheiten.

Da sie, wie Menschen auch, eine niedrige Reproduktionsrate haben, sind sie besonders angreifbar. Insbesondere Schimpansen investieren bis zu fünf Jahre in die Erziehung ihres Nachwuchses. Während dieser Zeit erlernen die Jungtiere erstaunliche technische und soziale Fähigkeiten, die sie zum Überleben brauchen.

Erste Zählungen in den 1980er Jahren

In den 1950er Jahren wurde die Schimpansenpopulation (Pantroglodytes verus) der Elfenbeinküste erstmals auf etwa 100.000 Tiere geschätzt. Rund 30 Jahre später – als die erste nationale Schimpansenzählung stattfand, musste die Schätzung auf 8.000 bis 12.000 Tiere nach unten korrigiert werden. Obwohl bereits damals ein starker Populationsrückgang zu verzeichnen war, beheimatete die Elfenbeinküste immer noch etwa die Hälfte der auf der Erde lebenden westlichen Schimpansen.

Im Rahmen einer Studie am Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie wurde nun erneut eine landesweite Schimpansenzählung durchgeführt. Das Ergebnis fiel katastrophal aus: Die Affenforscher ermittelten 90 Prozent weniger Schimpansenschlafnester als bei der Datenerhebung vor 17 Jahren. Am stärksten war der Populationsrückgang in ungeschützten Waldgebieten, in denen keine Hinweise mehr auf Schimpansen gefunden wurden. Die Zerstörung des Waldes und Wilderei sind die Hauptgründe für diesen Populationsrückgang.

Bedrohung macht auch vor Schutzgebieten nicht halt

Auch Schimpansen in den Schutzgebieten sind nach Angaben der Wissenschaftler bedroht, sobald die Überwachung aufhört beziehungsweise externe Finanzierung und Unterstützung vorübergehend unterbrochen werden. So nahmen die Forscher zum Beispiel an, dass sie im Marahoué Nationalpark eine der größten Schimpansenpopulationen der Elfenbeinküste finden würden. Aber nur wenige Jahre nachdem internationale Artenschutzprojekte aufgrund von politischen Unruhen im Land auf Eis gelegt worden waren, wurde der Park von Farmern in Beschlag genommen. Der Großteil seiner Fauna ist nun verschwunden.

Christophe Boesch, der das Forscherteam leitet, sagt dazu: „Diese Studie zeigt auf dramatische Weise, dass Artenschutzaktivitäten nur erfolgreich sein können, wenn eine Langzeitfinanzierung sichergestellt wird.“ Geneviève Campbell, Erstautorin der Studie, sammelte die Daten. „Ich folgte meinen Routen im Marahoué Nationalpark, ähnlich wie ich denen in klassifizierten Wäldern im ganzen Land gefolgt war, wo ich oft lange und beschwerlich suchen musste, um überhaupt noch ursprüngliche Bäume zu finden“, erzählt sie. „Traurig war vor allem, dass ich nur ein einziges Schimpansenschlafnest in diesem Park gefunden habe, wo man während der letzten Zählung entlang derselben Route noch auf 234 Nester gestoßen war“. Das eine Nest, das Campbell gefunden hatte, befand sich in einem Gebiet, dass gerade für landwirtschaftliche Zwecke gerodet worden war. Die Zukunft der Schimpansen im Marahoué Nationalpark ist ihrer Meinung nach hoffnungslos.

„Ein Juwel für kommende Generationen“

Die wenigen an der Elfenbeinküste verbliebenen Schimpansenpopulationen verteilen sich auf ein weites Gebiet. Eine der wenigen überlebensfähigen Populationen gibt es im Taï Nationalpark. Diese ist jedoch durch Wilderei extrem gefährdet. Dazu kommt, dass die externe Finanzierung der Artenschutzprojekte 2010 auslaufen wird. Dies könnte katastrophale Konsequenzen für diese letzte Hochburg der Schimpansen an der Elfenbeinküste haben. Die Forscher appellieren deshalb an die Zuwendungsgeber, den Taï Nationalpark als Priorität für den Erhalt der Schimpansen, die noch an der Elfenbeinküste leben, zu sehen und eine Finanzierung für die Zeit nach 2010 in Betracht zu ziehen.

Paul Kouamé N’Goran erklärt: „Das Verschwinden von Waldgebieten in unserem Land zwingt die Leute, lange Wege zum Taï Nationalpark zurückzulegen, wo Waldgebiete noch erhalten sind und das passende Klima vorhanden ist, um Landwirtschaft zu betreiben. Das wiederum erhöht den direkten Druck auf den Park. Wir müssen diesen Wald schützen und ihn als Juwel für die nach uns kommenden Generationen betrachten.“

Artenschutz kann funktionieren

Darüber hinaus sollten nach Meinung der Max-Planck-Forscher mehr Datenerhebungen im Lebensraum der westlichen Schimpansen finanziert werden, um deren Status besser einschätzen und die verbliebenen überlebensfähigen Populationen lokalisieren zu können. Wenn erneute Zählungen durchgeführt werden und die Forscher mehr Informationen zusammengetragen haben, können sie noch besser einzuschätzen, ob der Populationsrückgang sich auf das gesamte Verbreitungsgebiet erstreckt und ob ihr IUCN-Status in „stark gefährdet“ geändert werden muss.

Hjalmar Kühl, ein Monitoring-Experte frei lebender Populationen erklärt: „Diese Studie, so dramatisch die Ergebnisse auch sein mögen, zeigt doch vor allem, dass Artenschutz wirklich funktionieren kann, dass er aber von allen Beteiligten ein Langzeit-Engagement einfordert.“

(MPG, 15.10.2008 – DLO)

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