In Brandenburg ist gestern die weltweit erste Pilotanlage für ein Kohlekraftwerk mit CO2-Abscheidung in Betrieb gegangen. Das vom Stromkonzern Vattenfall gebaute Kraftwerk gibt das entstehende Kohlendioxid nicht an die Atmosphäre ab, sondern verflüssigt und speichert es. Die Umweltorganisationen begrüßten zwar die Technologie als klimaschonende Übergangslösung, warnten aber vor dem Bau weiterer Kohlekraftwerke.
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Die Pilotanlage mit einer thermischen Leistung von 30 Megawatt wurde in den vergangenen zwei Jahren am Standort „Schwarze Pumpe“ in der brandenburgischen Lausitz errichtet. In dieser Anlage wird das Kohlendioxid, das im Kraftwerksprozess entsteht verflüssigt und für die langzeitsichere unterirdische Speicherung weiter behandelt. „Die Pilotanlage ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer annähernd emissionsfreien Kohleverstromung. Sie stellt erstmals den Übergang vom Labor in die Praxis dar. Mit diesem Schritt leisten wir perspektivisch einen entscheidenden Beitrag zum globalen Klimaschutz“, so Vattenfall-Chef Lars G. Josefsson anlässlich der feierlichen Inbetriebnahme.
CO2 abgetrennt und verflüssigt
Technologische Basis der der so genannten CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) ist das Oxyfuel-Verfahren: Die Kohle wird dabei nicht mit Umgebungsluft sondern in einer Atmosphäre aus rezirkuliertem Rauchgas und reinem Sauerstoff verbrannt. Durch Auskondensieren kann das Kohlendioxid aus dem Rauchgasstrom getrennt und mittels Druck verflüssigt werden. So lässt es sich transportieren und in geeigneten geologischen Formationen tief unter der Erdoberfläche oder unter dem Meeresgrund speichern.
Das verflüssigte CO2 aus dem Kraftwerk Schwarze Pumpe soll in ein erschöpftes Erdgasfeld in der Altmark gepumpt werden und dort im Untergrund gespeichert. Noch allerdings sind alle derartigen Speichermöglichkieten erst im Versuchstadium. Dennoch setzen inzwischen nicht nur Vattenfall sondern auch andere Stromkonzerne auf Verfahren zur CO2-Abscheidung. Das Unternehmen will nach einem mehrjährigen Testbetrieb der Pilotanlage bis spätestens 2015 zwei Demonstrationskraftwerke mit einer elektrischen Leistung von bis zu 500 Megawatt bauen. Ab 2020 soll die Technologie dann serienreif und wettbewerbsfähig zur Verfügung stehen.
Umweltorganisationen: Als Brückenlösung akzeptabel
Die Umweltorganisationen sehen das Pilotprojekt mit gemischten Gefühlen. Einerseits werde, so kommentierte beispielsweise Germanwatch, die neue Technologie von vielen benutzt, um für den Bau weiterer Kohle- und Braunkohlekraftwerke Akzeptanz zu beschaffen – und zwar ohne dass die CO2-Abscheidung und -lagerung (CCS) schon verbindlich vorgeschrieben ist. Andererseits aber könne die Technologie, wenn sie denn hält, was sie verspricht, eine wichtige Brückentechnologie auf dem Weg ins Solarzeitalter sein.
Auch für den WWF ist die CCS-Technik zwar kein Patentrezept im Kampf gegen den Klimawandel; an der weiteren Erforschung der umstrittenen Technologie führe aber kein Weg vorbei. „Es ist wichtig und unerlässlich, dass die EU zwölf Pilotvorhaben plant und Energiekonzerne in die Erforschung dieser Technologie investieren“, so Regine Günther, Leiterin des Klimabereichs beim WWF Deutschland. CCS könne als Übergangstechnik eine wichtige Rolle im Rahmen einer ambitionierten Klimaschutz-Strategie spielen. Der WWF sieht vor allem in den schnell wachsenden Schwellenländern wie China Einsatzgebiete für die Technik. Voraussetzung: sie funktioniert und ihre Risiken sind beherrschbar.
Derzeit sind weltweit etwa 800 neue Kohlekraftwerke in der Planung. Wenn diese ohne CCS gebaut werden, seien alle ernsthaften Klimaschutzziele zum Scheitern verurteilt, warnen die Umweltschützer. Da neu in Betrieb gehende Kraftwerke 40 oder sogar 60 Jahre lang Strom erzeugen können, belasten
sie die CO2-Bilanz von Deutschland über Jahrzehnte. Daher müsse vermieden werden, neue Kraftwerke ohne CCS zu bauen. Die Umweltorganisationen forderten daher von der Regierung ein Moratorium und von der Stromwirtschaft eine verbindliche Zusage, keine neue Kohlekraftwerke zu bauen bevor die CO2-Technologie nicht serienreif sei.
(Vatenfall, WWF, Germanwatch, 10.09.2008 – NPO)