Im Jahr der Mathematik findet in Bremen ein Experiment der besonderen Art statt. Das Thema: „Wie viel Hering steckt im Menschen?“ Ein Stadtkulturfest in der Hansestadt wird für drei Tage zum Schauplatz ungewöhnlicher Versuche über die Selbstorganisation riesiger „Menschenschwärme“. Getestet wird dabei die Schwarmintelligenz von Menschenmengen.
Dem ungewöhnlichen Feldversuch vom 22. bis 24. August 2008 auf dem „ViertelFest“ stehen von der Universität Bremen der Mathematik-Professor Ulrich Krause und sein Team beratend zur Seite. Die Wissenschaftler interessiert dabei vor allem die Frage, wie aus einzelnen individuellen Handlungen ein übergreifender Zusammenhang entsteht. Denn diese Frage ist der Kern der metaphorischen Redeweise von der „Schwarmintelligenz“.
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Phänomene für Schwarmintelligenz gibt es in vielen Bereichen: in der Biologie bei Fisch- oder Heuschreckenschwärmen, Glühwürmchenpopulationen oder Ameisenkolonien; in der Ökonomie bei Modeströmungen unter Konsumenten oder Herdenbildung an Börsen; in den Neurowissenschaften bei krankhaften synchronen Aktivitäten von Nervenzellverbänden; in den Ingenieurwissenschaften bei der Koordination und Kooperation von Nano-Robotern. Mit Hilfe mathematischer Modelle versuchen Wissenschaftler, aus der Vielfalt der Schwarmphänomene einen Kern an Gemeinsamkeit(en) abzuleiten.
Kollektive Knackgeräusche
Das Bremer Großexperiment soll zunächst einmal Aufschluss darüber geben, ob Schwarmbildung wie bei Heringen oder Glühwürmchen überhaupt zur Natur des Menschen oder zur Kultur der menschlichen Kommunikation gehört.
So erhalten die Besucher des ViertelFestes kleine Blechinsekten, mit denen man Knackgeräusche macht. Von der Bühne aus werden die Zuschauer dann animiert, bei verschiedenen Spielen mitzumachen, denen einfache Regeln zugrunde liegen. Zum Beispiel: Mache ein Geräusch, wenn deine Nebenleute es tun. Kann sich dann bereits ein Schwarmverhalten wie bei Heringen entwickeln, in dem Falle also ein gemeinsames Knackverhalten, eine Synchronisierung der einzelnen Geräusche? Oder steckt nur wenig Hering im Menschen? Im Experiment wollen die Forscher herausfinden, ob und unter welchen Bedingungen die Menschenmenge sich rhythmisch koordinieren kann.
Die Weisheit der Vielen
An den drei Tagen werden jedoch insgesamt sieben Schwarm-Experimente gestartet. Besonders interessant sind auch die Versuche am Freitag um 18:30 Uhr zur Eröffnung des ViertelFestes mit Jan Lorenz von der ETH Zürich und Samstag um 22:15 Uhr mit Professor Ulrich Krause als Referent zum Thema „Wie bilden sich Schwärme?“. Am Samstag wollen die Wissenschaftler sogar ausprobieren, ob das Knacken von der Wallwiese bis zum anderen Ende der Festmeile am Ziegenmarkt weitergegeben werden kann. Eine Interpretation des aktuellen Geschehens erfolgt gleich vor Ort auf der Bühne von den Mathematikern Krause und Lorenz.
Beim ViertelFest stellen die Forscher zudem die „Weisheit der Masse“ bei einem Schätzquiz auf die Probe. Die Frage lautet: Wie viele Lose werden bei der „Haste mal nen Euro“-Tombola am Ende verkauft sein? Wissenschaftlich interessant ist die Antwort, ob der Durchschnitt aller Schätzungen tatsächlich dem realen Ergebnis sehr nahe kommt. Die Weisheit der Vielen ergibt sich dann, wenn aus Informationen und Meinungen einer großen Masse von Leuten eine Kernaussage herausgefiltert wird, die sehr nahe am richtigen Ergebnis liegt.
(idw – Universität Bremen, 18.08.2008 – DLO)