Eine einfache Plane an Metallstäben – damit wollen Forscher zumindest zeitweise das dramatisch schnelle Abschmelzen des Schweizer Rhône-Gletschers bremsen. Der jetzt installierte Windfang sol die kalten Fallwinde, die über den Gletscher ins Tal absinken, auf der Gletscherzunge stauen und so für einen natürlichen Kühleffekt sorgen.
Viele Alpengletscher sind derzeit von einem dramatischen Abschmelzen betroffen. Geht die Klimaerwärmung unvermindert weiter, wird es Prognosen zufolge in 100 Jahren keine Alpengletscher mehr geben. Bei einer Projektstudie versuchen Wissenschaftler nun, die Abschmelzrate mit Hilfe eines Windfangs zu verringern. Er soll die kalten Fallwinde, die über den Gletscher ins Tal absinken, abbremsen oder auf der Gletscherzunge stauen, so dass ein natürlicher Kühleffekt entsteht, der die Abschmelzrate verringert. Dies wurde bereits in vielen Laborversuchen mit kleinen Eisplatten-Modellen erfolgreich in Mainz und Karlsruhe getestet.
Mit 27 Studierenden und einem Lkw voller Materialien waren Forscher der Johannes Gutenberg-Universität Mainz unter der Leitung von ProfessorHans-Joachim Fuchs am Montag in die Schweiz aufgebrochen, wo die Gruppe in dreitägiger Arbeit am Rhône-Gletscher einen 15 Meter breiten Test-Windfang errichtet hat. Dazu wurden Metallstangen ins Eis geschlagen und daran eine Plane befestigt, die die so genannten katabatischen Gletscherwinde stauen soll.
Hohe Abschmelzrate erschwert Messungen
„Wir hoffen, dass durch unsere Installation eine deutliche Abkühlung erfolgt und so die Abschmelzung wenn nicht gestoppt, so doch verringert wird“, erklärt Fuchs. Schwierigkeiten machte der Gruppe die hohe Abschmelzrate des Gletschers. „Wir verlieren jeden Tag 10 bis 12 Zentimeter Eisoberfläche“, teilte Fuchs vom Gletscher in 2300 Meter Höhe aus mit. Er hofft, dass die Stahlstangen, die 1,10 Meter tief verankert sind, drei bis vier Tage lang für die Messungen halten. „Der Gletscher taut unglaublich rasant ab. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir die Messungen vornehmen können.“
Zeitlich hochaufgelöste Temperaturmessungen rund um den Windfang sollen während des Experiments seine mögliche kühlende Wirkung in Oberflächennähe des Gletschereises nachweisen und quantifizieren. Die Wissenchaftler und Studenten kartieren, dokumentieren und analysieren zudem die Landschaftsveränderungen durch die Gletscherrückgänge.
Bei Umfragen hat sich 2006 herausgestellt, dass ein Großteil der Gletschertouristen die zahlreichen glazialen Spuren, die Gletscher in der Landschaft hinterlassen, nicht wahrnimmt oder nicht zuordnen kann. Daher sollen Spuren, die in der Landschaft zu erkennen sind, und andere interessante Aspekte über Gletscher didaktisch aufgearbeitet und bei einem Lehrpfad am Rhône-Gletscher für Touristen zugänglich gemacht werden.
Untersucht wird außerdem, welche ökologischen Einflüsse die Gletscherrückgänge in lokaler, regionaler und auch globaler Hinsicht bereits haben und möglicherweise noch haben werden. Flankierend werden Umfragen am Rhône-Gletscher durchgeführt. Pro Tag kommen 500 bis 1000 Touristen an die Gletscherzunge, um dort den ca. 80 Meter langen, weltberühmten künstlichen Eistunnel zu begehen.
(Universität Mainz, 15.08.2008 – NPO)