Ob als schleimiger Belag im Aquarium oder giftiger Teppich am Strand – Algen haben meist keinen guten Ruf. Doch sie könnten uns Menschen wertvolle Dienste leisten, zum Beispiel als alternative Energielieferanten für Biodiesel und auch Wasserstoff. In einem neuen Forschungsprojekt wollen Forscher Algen nun so verändern, dass sie mehr Wasserstoff produzieren. Dann könnten die Algen umweltfreundliche, wirtschaftliche Energielieferanten werden.
Wasserstoff gilt als eine umweltfreundliche Energiequelle der Zukunft, zum Beispiel in der Automobilindustrie – vorausgesetzt, der Wasserstoff wird auch mit umweltschonenden Verfahren gewonnen. im Projekt „Biowasserstoffproduktion in Mikroalgen“ haben sich deshalb jetzt Wissenschaftler aus vier Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen: Neben Forschern um Professor Michael Hippler vom Institut für Biochemie und Biotechnologie der Pflanzen der Universität Mmünster sind Forscher vom Max- Planck- Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Golm, der Universität Karlsruhe (TH) sowie – als Koordinatoren – der Universität Bielefeld beteiligt.
„Die Mikroalgen wären als Energielieferanten besonders gut geeignet“, erklärt Hippler die Vorteile. „Sie benötigen kein fruchtbares Land, im Gegensatz zu Nutzpflanzen, die zur Herstellung von Biokraftstoffen angebaut werden, und sie treten nicht in Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion. Zudem verbrauchen sie wesentlich weniger Wasser – das ist gerade in trockenen Gebieten extrem wichtig.“
Zielvorgabe: Sieben bis zehn Prozent Wasserstoff
Die Wissenschaftler wollen daher aus einzelligen Grünalgen (Chlamydomonas reinhardtii) industrietaugliche Wasserstofflieferanten entwickeln, die den Wasserstoff ohne negative Folgen für die Umwelt liefern. Die winzigen Algen produzieren unter bestimmten Bedingungen Wasserstoff, beispielsweise wenn Sauerstoff fehlt oder Anpassung an Schwefelmangel nötig ist. Dann wird der Stoffwechsel der Photosynthese umgestellt, und bei Bestrahlung mit Sonnenlicht stellen die Algen Wasserstoff her.
Bei herkömmlichen Grünalgen werden allerdings nur 0,1 Prozent der einfallenden „Lichtteilchen“ zu Wasserstoffmolekülen umgesetzt – aus ökonomischer Sicht zu wenig. „Wenn wir die Rate auf sieben bis zehn Prozent steigern könnten, dann wäre die Wasserstoffproduktion aus Grünalgen auch kommerziell interessant“, so Hippler.
Genveränderungen als Ansatzpunkt
Um die Wasserstoffproduktion zu erhöhen, verfolgen die Forscher mehrere Ansätze. Ein Ansatzpunkt ist eine bereits existierende Zuchtlinie der von ihnen erforschten Grünalge. Die Algen dieser Linie tragen eine genetische Veränderung, die eine erhöhte Wasserstoffproduktion mit sich bringt.
Allerdings ist auch die Wasserstoffproduktion dieser Algensorte noch weit vom gewünschten Wert entfernt.
Durch einen Vergleich der speziellen Zuchtlinie mit der „normalen“ Alge wollen die Forscher herausfinden, welche Stoffwechselwege für den Unterschied in der Wasserstoff-Produktion verantwortlich sind – welche Gene in den Algen aktiv sind und welche Proteine und Stoffwechselprodukte entstehen. „Wenn wir die genauen Mechanismen kennen, hoffen wir, durch gezielte genetische Veränderungen neue Generationen dieser Zuchtlinie zu erhalten, die dann eine noch effizientere Wasserstoffproduktion aufweisen“, erklärt Hippler. Zusätzlich suchen die Forscher nach weiteren zufällig entstandenen, bislang unbekannten Algenlinien, die ebenfalls mehr Wasserstoff produzieren und die Forscher auf ihrer Suche nach dem idealen Wasserstofflieferanten einen Schritt voran bringen.
Beleuchtung verbessern
Ein weiterer Ansatz ist die Verbesserung der Fermenteranlagen – der Wassertanks, in denen die Algen unter definierten Wachstumsbedingungen den gewünschten Wasserstoff produzieren. Ein Knackpunkt beim Bau der Fermenter ist die Beleuchtung: Damit sie Wasserstoff produzieren, müssen auch die Algen im Inneren der Tanks ausreichend Licht bekommen. Bislang werden die Algen künstlich beleuchtet.
Damit die Energiebilanz am Ende stimmt, wollen die Forscher „Außenreaktoren“ entwickeln, die allein mit Sonnenlicht auskommen. Zudem sollen die Tanks deutlich größer werden. „Unser Team will den Sprung von 25-Liter-Fermentern auf 250-Liter-Fermenter schaffen“, so Hippler. Federführend bei diesem technischen Teilprojekt sind die Forscher aus Karlsruhe.
(Universität Münster, 11.08.2008 – NPO)