Technik

Elektronenmikroskopie erreicht den Pikometerbereich

Verschiebungen einzelner Atome direkt messbar

Professor Urban diskutiert mit seinen Mitarbeitern den im elektronenmikroskopischen Bild erkennbaren atomaren Aufbau einer Oxidschicht der Nanoelektronik. © Forschungszentrum Jülich

Mithilfe neuer Methoden in der Elektronenoptik ist es Physikern gelungen, Verschiebungen von Atomen mikroskopisch auf wenige Pikometer genau zu messen. Ein Pikometer entspricht einer Distanz, die etwa hundertmal kleiner ist als der Durchmesser eines Atoms. Wie die Forscher in „Science“ berichten, eröffnet dies eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten.

Fortschritte bei den Erkenntnissen in der Physik sind sehr häufig mit einer Erhöhung der Genauigkeit von Messungen verbunden, mit denen die Forscher den Naturphänomenen auf der Spur sind. Genau das ist auch den Wisseschaftlern des Ernst Ruska-Centrums in Jülich nun für die Elektronenmikroskopie gelungen. Sie steigerten die Auflösung ihrer Mikroskope bis weit unter die Atomgröße. „Dies ist der Beginn einer Physik der Materialien, welche physikalische Größen und Eigenschaften im Nanobereich durch höchstgenaue Messung der atomaren Abstände bestimmen kann“, erklärt Knut Urban, Direktor des Ernst Ruska-Centrums. „Dies wird uns dann auch Anhaltspunkte dafür liefern, wie man diese Eigenschaften für neue und bessere Funktionen manipulieren kann.“

Atomverschiebung im Supraleiter

Die Jülicher Forscher untersuchten beispielsweise die Anordnung der Atome in orthogonalen Korngrenzen des Oxidsupraleiters YBa2Cu3O7. Diese markieren die Grenze zwischen zwei Bereichen des kristallinen Materials, deren atomarer Aufbau um genau 90° zueinander verdreht ist. Den Physikern gelang es, aus mikroskopischen Bildern, die sie gezielt unter verschiedenen Bedingungen aufgenommenen hatten, im Computer die quantenmechanische Wellenfunktion der Elektronen zu berechnen und aus dieser sehr genau auf die Position der Atome zurückzuschließen.

Dabei stellte sich heraus, dass die großen Atomsorten Barium, Kupfer und Yttrium in der Korngrenze aus ihren idealen Lagen systematisch um wenige Pikometer verschoben sind und dass die kleineren Sauerstoffatome dieser Verschiebung folgen. Dies liefert eine Erklärung für die Schwächung der supraleitenden Eigenschaften, die man beobachtet, wenn ein elektrischer Strom über eine solche Korngrenze fließt. Dieses Phänomen ist unerwünscht, wenn man den Supraleiter zum verlustlosen Stromstransport verwenden will.

Es ist aber von Nutzen für die Konstruktion von so genannten SQUIDs (supraleitenden Quanteninterferenzdetektoren), welche die Magnetfeldabhängigkeit dieser Störung zur Messung kleinster magnetischer Felder ausnutzen, zum Beispiel für die Messung von Gehirnströmen (Magnetoenzephalographie).

Polarisation im Kristallbaustein

Verschiebungen um wenige Pikometer entscheiden aber auch über weitere physikalische Eigenschaften, die in der Technik von eminenter Bedeutung sind, darunter die Ferroelektrizität von Titanaten. Sie rührt daher, dass sich innerhalb der Bausteine von Kristallen, den Einheitszellen, die elektrischen Ladungen der einzelnen Atomarten nicht vollständig kompensieren können, weil deren Anordnung die dazu notwendige Symmetrie nicht besitzt. Deshalb bilden sich elektrische Dipole innerhalb der Einheitszellen, welche sich über einen größeren Kristallbereich zur so genannten Polarisation aufaddieren, die man technisch zum Einschreiben von Informationsbits nutzen

kann.

Ein Beispiel ist PbZr0.2Ti0.8O3, das in Chipkarten zur Datenspeicherung eingesetzt wird. Mithilfe der neuen elektronenoptischen Verfahren lassen sich die atomaren Verschiebungen Atom für Atom messen, woraus sich erstmals die lokale Polarisation bestimmen lässt.

(Forschungszentrum Jülich, 25.07.2008 – NPO)

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