Umwelt

Sonnencreme im Badesee macht Schnecken unfruchtbar

Chemische Filtersubstanzen mit Östrogen-ähnlicher Wirkung

Die Zwergdeckelschnecke produziert weniger Embryonen, wenn die Konzentration an chemischen UV-Filtersubstanzen während des Sommers in den Badeseen steigt. © Universität Frankfurt (Main)

Im Sommer erreicht die Konzentration von Sonnencremes nicht nur auf unserer Haut, sondern auch in den Badeseen Höchstwerte. Mit negativen Folgen zumindest für einige Wasserbewohner: Die chemischen UV-Filtersubstanzen in den meisten Sonnencremes beeinflussen das Hormonsystem und auf diese Weise die Fortpflanzung von Wasserschnecken.

Sonnencremes enthalten chemische Filtersubstanzen, die die UV-Strahlung absorbieren oder reflektieren und damit die Haut vor deren schädlichen Auswirkunge schützen. Für bestimmte Inhaltsstoffe ist jedoch im Tierversuch eine östrogenartige Aktivität nachgewiesen worden. Inwieweit Östrogen-aktive UV-Filter auch für den Menschen schädlich sind, ist bisher nicht untersucht. Sicher ist, dass sie vom Körper aufgenommen werden und anschließend für einige Stunden im Blut, Urin und auch in der Muttermilch nachweisbar sind – und zwar in Konzentrationen, die in etwa derjenigen einer niedrig dosierten Anti- Baby-Pille entsprechen.

Sonnencreme im Badesee

Dominic Kaiser , Biologe der Goethe Universität Frankfurt hat nun in einer Studie die Wirkung der beiden häufigsten UV-Filtersubstanzen auf wasserlebende Orgabismen untersucht. „Im Sommer ist der Eintrag in die Badeseen besonders groß“, erklärt Kaiser, „da die Substanzen aber nicht nur in Sonnencremes, sondern auch in vielen anderen Kosmetika wie Shampoos, Hautcremes, Lippenstiften und Parfums vorkommen, haben wir das ganze Jahr über eine Belastung der Fließgewässer über die häuslichen Abwässer.“ In Kosmetika dienen die UV-Filtersubstanzen vor allem dazu, die Produkte vor einer Veränderung oder Zersetzung durch Sonnenlicht zu bewahren.

Der Forscher testete die Wirkung der Präparate auf drei Organismen: den Glanzwurm, die Zuckmücke und die Zwergdeckelschnecke. Während die Vermehrung von Wurm und Mücke von den Substanzen nicht beeinträchtigt wurde, produzierten die Schnecken weniger Embryonen im Laborversuch. „Unsere Forschung ist primär auf aquatische Ökosysteme ausgerichtet“, kommentiert Abteilungsleiter Professor Jörg Oehlmann, „insofern untersuchen wir nicht, ob das, was für die Zwergdeckelschnecke gilt, sich auch auf den Menschen übertragen lässt.“

Auswirkungen auf Gesamtökosystem noch unbekannt

Kaiser untersucht nun im nächsten Schritt, was seine im Labor gefundenen Ergebnisse für reale Ökosysteme bedeuten. Er entnimmt dazu Wasserproben aus zehn Badeseen und zehn Fließgewässern der Region und untersucht auch den Anteil der UV-Filtersubstanzen im Sediment am Boden des Sees, wo die Larven der Zuckmücke, der Glanzwurm und auch die Zwergdeckelschnecke leben.

Seine Untersuchung wird sich dann auf einen ganzen Cocktail von Umweltgiften erstrecken, denn die im Wasser lebenden Organismen können nach der Badesaison noch nicht aufatmen: Ganzjährig sind sie zusätzlich der Wirkung von Pflanzen- und Insektenschutzmitteln ausgesetzt. Wenn die Schnecke aus den belasteten Ökosystemen verschwinden sollte, könnte dies die Ökosystemfunktion beeinträchtigen, es sei denn, die frei gewordene ökologische Nische wird durch eine andere Art besetzt.

(Universität Frankfurt (Main), 25.07.2008 – NPO)

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