Französische Wissenschaftler suchen nach gentherapeutischen Strategien gegen die Huntington`sche Krankheit, ein Erbleiden, das heftige, unkontrollierte Bewegungen, einen torkelnden Gang und Grimassenschneiden auslöst. Wie sie auf der Tagung der Federation of Neuroscience Societies (FENS) in Genf berichteten, werden dabei zurzeit zwei verschiedene Ansätze verfolgt.
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Die Huntington`sche Krankheit wird durch ein verändertes Gen auf Chromosom 4 ausgelöst, das die Bauanleitung für das Protein Huntingtin enthält. Dieses Protein, vermuten die Forscher, löst die Krankheit aus, in dem es Nervenzellen daran hindert, sich selbst vor giftigen chemischen Substanzen zu schützen. Derzeit gibt es weder eine Heilung für die Huntington`sche Krankheit noch eine Behandlung, die den Untergang der Nervenzellen aufhält.
Doch Dr. Nicole Déglon, Mitglied eines Forscherteams von CEA, Institute of Biomedical Imaging and Molecular Imaging Research Center in Orsay, Frankreich, ist optimistisch, dass die Krankheit wirksam mit Gentherapien behandelt werden könnte, die Viren als Genfähren einsetzen.
Untergang von Nervenzellen verhindern
Die erste Technik, die sie und ihre Kollegen prüfen, basiert auf der Vorstellung, dass dem Gehirn geholfen werden kann, sich vor dem Untergang von Nervenzellen zu schützen, wenn die Zahl der „neu-roprotektiven“ Moleküle im Gehirn erhöht wird. Das Molekül, das die Forscher dazu einsetzen wird ciliary neurotrophic factor oder kurz CNTF genannt.
„Wenn das Gehirn zum Beispiel verletzt ist, bildet sich mehr CNTF, was den Nervenzellen hilft, auf die Verletzung besser zu reagieren und zu überleben“, sagt Déglon. Zunächst hatten die Forscher Zellen eingesetzt, die sie genetisch so verändert hatten, dass sie CNTF produzierten und pflanzten sie mit Hilfe von Polymer-Mikrostäbchen in das Gehirn. „Wir stellten fest, dass die Zellen zwar CNTF produzierten, aber die Ausschüttung war für eine lang andauernde Behandlung nicht ausreichend“, erklärt Déglon. „Wir beschlossen, unsere Arbeit fortzusetzen, aber ein besseres Verteilungssystem zu suchen. So sind wir zu den viralen Vektoren gewechselt“.
Therapie-Test bei Primaten
Diese Gentherapie testen die Forscher jetzt in Primaten. Sie verwenden ein genetisch modifiziertes Virus, das das Gen mit der Bauanleitung für CNTF in Hirnzellen schleust, die dann regelmäßig und für eine lange Zeit dieses schützende Protein produzieren. Die Viren mit ihrer Genfracht schleusen die Forscher in die Region des Gehirns, die bei der Huntington`schen Krankheit zugrunde geht, in das Striatum. Die Viren infizieren die Nervenzellen und laden das CNTF-Gen dort ab, die dann dieses Protein produzieren.
„Auch wenn nicht alle Nervenzellen von den Viren infiziert werden, wird doch genügend CNTF ausgeschüttet, dass auch die nicht infizierten Zellen erreicht werden“, sagt Déglon. Die Ergebnisse zeigen, dass mit dieser Strategie die Nervenzellen im Striatum von Ratten und Primaten vor dem Untergang geschützt werden. Die Forscher planen jetzt klinische Versuche. „Wir hoffen, dass die Patienten von solch einer Therapie einige Jahre profitieren können, aber die Antwort werden die klinischen Daten geben“, so Déglon.
Botenmolekül RNA im Einsatz
Bei dem zweiten Therapieansatz, der noch in einem früheren Experimentierstadium steckt, setzen die Forscher das Botenmolekül RNA ein. Dieses bringt die genetische Information zu den Proteinfabriken der Zelle.
„Die Vorstellung ist, die Boten-RNA für das mutierte Huntingtin zu zerstören, um die Produktion des fehlerhaften Proteins zu blockieren“, sagt Déglon. Ein Gen wird dazu in Nervenzellen geschleust, das eine spezielle RNA produziert, die die RNA für Huntingtin deaktiviert. „In diesem Fall müssen alle Zellen infiziert werden. Es ist in diesem Fall eine größere Herausforderung, die Einschleusung zu lösen“, sagt Déglon.
(ProScience Communications, 17.07.2008 – DLO)