Rückenschmerzen sind keineswegs eine Erfindung des Menschen oder der Zivilisation: Der Wirbelknochen eines 150 Millionen Jahre alten Dinosauriers belegt, dass auch dieser bereits unter Fehlbildungen an seiner Wirbelsäule litt, wie sie noch heute auch bei menschlichen Neugeborenen vorkommen. Das Tier hatte vermutlich Schmerzen und wurde nicht alt.
Jahrzehntelang schlummerte ein Kuriosum in den Sammlungen des Museums für Naturkunde Berlin: Ein kleiner, auf den ersten Blick unscheinbarer Rückenwirbel des Pflanzen fressenden Dinosauriers Dysalotosaurus, der aber ungewöhnliche Fehlbildungen aufweist. Das Stück wurde nun unter der Leitung des Paläontologen Florian Witzmann vom Museum für Naturkunde und des Charité-
Arztes Patrick Asbach mit modernen medizinischen Verfahren durchleuchtet, um Aufschluss über die Krankheit des uralten Patienten zu bekommen.
Behindert durch Rückgratverkrümmung
Dysalotosaurus war ein recht kleiner, etwa schafsgroßer Dinosaurier und lebte vor 150 Millionen Jahren im heutigen Tansania. Dutzende von Skeletten und Hunderte Einzelknochen dieser Art wurden im Jahre 1911 in der damaligen deutschen Kolonie gefunden, darunter auch dieses besondere Stück.
Die geringe Größe des Wirbels, der gerade einmal 2,5 cm lang und 1 cm breit ist, zeigt, dass dieses Exemplar von Dysalotosaurus unter einer schweren Skoliose litt und offenbar nicht sehr alt wurde. Vor 150 Millionen Jahren starb das zeitlebens unter seiner Behinderung leidende Tier zusammen mit vielen
seinen Artgenossen an einem schlammigen Küstenabschnitt.
Wirbel schräg verschmolzen
Die Untersuchungen mit modernster Mikro-Computertomographie am Hahn- Meitner-Institut Berlin haben gezeigt, dass das Tier unter einer seltenen Krankheit litt, die auch bei menschlichen Neugeborenen auftritt, der so genannten Halbwirbelbildung. In Embryonen entstehen die Wirbel aus zwei Anlagen, eine auf jeder Körperseite, die während des Wachstums miteinander verschmelzen.
Kommt es bei der Steuerung dieses Prozesses zu Fehlern, können Halbwirbel entstehen.
Der ungewöhnliche Patient litt dabei unter einer besonderen Form der Fehlbildung, bei der nicht die direkt gegenüberliegenden Anlagen miteinander verschmelzen, sondern die Fusion schräg versetzt erfolgte und somit am vorderen und hinteren Ende des kranken Wirbelsäulenabschnittes jeweils ein Halbwirbel übrig blieb. Diese seltene Krankheit, im Fachjargon „hemimetamere Segmentverschiebung“ genannt, wurde nun erstmals bei Dinosauriern nachgewiesen.
Die Ergebnisse des Teams von Florian Witzmann gewähren uns nun nicht nur einen Einblick in das persönliche Schicksal dieses Dinosauriers: Sie zeigen vor allem, dass vom Menschen bekannte Fehlbildungen wie diese offenbar auf fundamentale Defekte im Entwicklungsprogramm zurückgehen, die bei allen Wirbeltieren auftreten können – auch bei denen, die viele Millionen Jahre vor der Erfindung des ergonomischen Bürostuhls ausgestorben sind.
(Humboldt-Universität Berlin, 09.07.2008 – NPO)