Die Hoffnung auf neue Wirkstoffe gegen Rückenschmerz ist durch eine neue Studie Heidelberger Wissenschaftler getrübt worden: Der körpereigene Entzündungsbotenstoff TNF-alpha hat – anders als bisher angenommen – vermutlich keinen Einfluss auf Schmerzen und Bewegungsfähigkeit.
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Forscher hatten bisher große Hoffnungen in die Therapie mit neuen biologischen Wirkstoffen gesetzt, die den Botenstoff hemmen. Die im Fachmagazin „The Clinical Journal of Pain“ veröffentlichten Ergebnisse stellen nun die Behandlungsoption mit dem Wirkstoff TNF-alpha-Blocker in Frage.
TNF-alpha-Blocker erfolgreich bei chronischen Entzündungen
TNF-alpha-Blocker sind Medikamente, die gezielt den körpereigenen Botenstoff TNF-alpha hemmen, der bei einigen chronisch-entzündlichen Erkrankungen eine wichtige Rolle spielt. Sie werden bei Patienten mit schwerer rheumatoider Arthritis, Morbus Bechterew oder der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn bereits erfolgreich eingesetzt.
Akute und chronische Rückenschmerzen sind weit verbreitet: Rund 30 Millionen, also mindestens jeder dritte Bundesbürger, klagen einmal im Jahr darüber. Vom akuten zum chronischen Leiden ist der Weg oft nicht weit. Der volkswirtschaftliche Ausfall liegt schätzungsweise bei 20 Milliarden Euro pro Jahr.
Multidisziplinärer Therapieansatz gegen Rückenschmerzen
In der Studie verfolgten die Forscher an der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg erstmals den Blutspiegel von TNF-alpha bei Rückenschmerzpatienten über einen Zeitraum von sechs Monaten. Die Patienten, die zuvor erfolglos mit medizinischen Standardtherapien behandelt worden waren, nahmen an einem multidisziplinären Therapieansatz teil.
Er umfasst neben Krankengymnastik, Rückentraining und Ergotherapie auch Gruppen- und Einzelpsychotherapie. Medikamente, die die Entzündungsbotenstoffe beeinflussen könnten, wurden nicht gegeben. Die vielseitige Therapie wird in Heidelberg bei Rückenschmerzen aller Schweregrade erfolgreich angewendet.
„Bei den Patienten war der Blutspiegel des Entzündungs-Botenstoffes deutlich häufiger erhöht als bei rückenschmerzfreien Kontrollpersonen“, erklärt Professor Dr. Marcus Schiltenwolf. „Auf den ersten Blick scheint
TNF-alpha ein mögliches Angriffsziel für eine Therapie zu sein.“
TNF-alpha trotz Physio- und Psychotherapie erhöht
Die Studienergebnisse zeigten jedoch im Verlauf der Therapie: Die Schmerzen der Teilnehmer nahmen ab, die Bewegungsfähigkeit verbesserte sich, der Blutspiegel von TNF-alpha blieb jedoch trotzdem erhöht im Vergleich zu den gesunden Kontrollpersonen. „Wir konnten hier keinen direkten Zusammenhang feststellen“, sagt Schiltenwolf. „TNF-alpha hat bei Rückenschmerzpatienten keinen Einfluss auf Schmerzen und Bewegungsfähigkeit.“
Diese Ergebnisse beeinflussen nicht nur die Suche nach möglichen Therapien. Sie zeigen außerdem, dass es für Grundlagenforscher noch ein weiter Weg dahin ist, die komplexen Zusammenhänge bei Rückenschmerzen zu verstehen.
(idw – Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg, 25.06.2008 – DLO)