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Mit Mikrofossilien auf Erdöl-Jagd

Wie Bonner Mikropaläontologen helfen, neue Lagerstätten aufzuspüren

Sternchensande: ganze Strände und Regionen zwischen dem nördlichen großen Barriereriff vor Australien und dem südlichen Japan sind bedeckt durch die Kalkschalen mikroskopisch kleiner Foraminiferen. © Martin Langer

Weltweit erleben Autofahrer im Moment fast jeden Tag ihr blaues Wunder: Die Spritpreise an den Tankstellen steigen immer weiter – ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Neben dem nahezu unstillbaren Energiehunger der rapide wachsenden Weltbevölkerung, Spekulationen von Hedgefonds oder Förderbeschränkungen der OPEC sind vor allem die schwindenden Erdölreserven dafür verantwortlich, dass die fossilen Kohlenwasserstoffe regelmäßig teurer werden. Um bisher unbekannten Lagerstätten auf die Spur zu kommen, setzen Bonner Mikropaläontologen sehr effiziente Untersuchungsmethoden ein. Dabei kommen auch kleinste Mikrofossilien zum Einsatz, die sich als wahre Spürnasen für Erdöl und Erdgas erweisen.

Die Kleinen kommen ganz groß raus

Seit etwa zwei Milliarden Jahren bevölkern winzig kleine Organismen wie Acritarchen, Foraminiferen, Dinoflagellaten und Conodonten in großer Zahl das Wasser der Weltmeere. Zu bestimmten Zeiten der Erdgeschichte haben ihre Skelette und Schalen umfangreiche Schichten im Sediment gebildet, die als so genannte poröse Speichergesteine ideale Lagerstätten für Erdöl und Erdgas darstellen. Vergleichbare Massenablagerungen findet man aber auch heute noch an zahlreichen tropischen Stränden. Sie präsentieren sich unter dem Mikroskop als wahrhaft „lebende Sande“ aus Schalen und Skeletten von Einzellern.

Im Laufe der Evolution haben diese Urtierchen eine enorme Formen- und Artenvielfalt entwickelt. Sie werden von Mikropaläontologen heute als Marker genutzt, um die Abfolge von Gesteinsschichten mit höchster Präzision zeitlich zu datieren. „Diese Technik nennt sich Biostratigraphie und kann das Alter der Sedimente bis auf eine Million Jahre genau bestimmen“, erläutert Professor Martin Langer vom Steinmann Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn. Die Methode wird bereits seit mehr als 100 Jahren erfolgreich angewandt und Mikropaläontologen gehörten daher lange Zeit auch zur Standardbesetzung jeder Erdölfirma.

Forschungstauchen: ein fester Bestandteil der Ausbildung im Bereich der Mikropaläontologie an der Universität Bonn © Martin Langer

Seismik revolutioniert Erdöl- und Erdgassuche

Doch in den 1980er Jahren änderte sich das Bild. Damals wurde die Seismik, eine Art Untergrundtomographie der Erdschichten, als Standartmethode in der Erdölindustrie etabliert. Die Konzerne waren von den seismischen Bildern so begeistert, dass sie glaubten damit alle Explorationsprobleme lösen zu können. Die industrielle Mikropaläontologie wurde durch diese Entwicklung aber beinahe zum „Aussterben“ verurteilt.

Die Seismik leistete den Geologen und Bergbauingenieuren in der Folge tatsächlich gute Dienste. Mittlerweile sind nahezu alle besonders großen Erdölfelder der Erde bekannt oder werden sogar bereits ausgebeutet.

Die Renaissance der Mikropaläontologie

Die Suche nach neuen Lagerstätten konzentriert sich deshalb auf kleinere und fragmentierte Felder, deren Mächtigkeit oft nur wenige zehn Meter beträgt. Und auch die „Muttergesteine“, die Ausgangsgesteine des Erdöls, dieser Lagerstätten sind häufig nicht „dicker“ als wenige Meter.

„Lagerstätten dieser Größe werden von der Seismik aber nicht erfasst und übersehen. Ihr vertikales Auflösungsvermögen zur Unterscheidung verschiedener Gesteinsschichten erreicht nur circa 50 beziehungsweise 100 Meter. Die Methode ist einfach zu ungenau“, erläutert Langer. Ganz anders die Mikropaläontologie: Sie liefert mittels präziser Biostratigraphie eine vertikale Auflösung von etwa einem Meter. Dies erlaubt eine zielgenaue Steuerung von vertikalen und horizontalen Bohrungen und eine ökonomische Exploration der gesamten Erdgas- oder Erdölquelle.

Mikrofossilien als sprudelnde Informationsquelle

Bonner Mikropaläontologen © Martin Langer

Doch wie kommen die Forscher an das dafür notwendige Wissen? Bei jeder Bohrung werden Mikrofossilien mit dem zerkleinerten Gestein nach oben gespült. Sie geben den Mikropaläontologen Auskunft über das genaue Alter der Gesteinsschichten und über Lage und Größe der möglichen Lagerstätte. Darüberhinaus liefern die Farben der Mikrofossilien Informationen über die thermale Reife des Gesteins. Mit ihrer Hilfe können Experten wie Langer aber auch erkennen, ob sich im Untergrund überhaupt Erdöl oder Erdgas befindet – und wenn ja, welche Qualität es hat.

Die hohe Präzision der Mikropaläontologie beruht dabei auf der exakten Interpretation der Funde, anhand kleinster Strukturen der Mikrofossilien. Erdölfirmen haben deshalb längst wieder erkannt, dass Mikropaläontologen die Erfolgsquote und Ausbeutung von Lagerstätten wesentlich verbessern können. „Mikrofossilforscher mit ihrem Wissen über Foraminiferen, Nanoplankton, Conodonten oder Dinoflagellaten, sind deshalb heute wieder gefragte Spezialisten. Das Fach erlebt eine einzigartige Renaissance“, sagt Langer.

Link:

Weitere Informationen: www.paleontology.uni-bonn.de/frame02.htm

(Prof. Dr. Martin Langer, Steinmann Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn, 20.06.2008 – DLO)

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