Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Eismassen der europäischen Arktis aus? Um diese Frage zu klären, waren Wissenschaftler der TU Berlin knapp einen Monat im hohen Norden unterwegs. Sie installierten Messsationen, die in den nächsten Monaten wertvolle Klimadaten sammeln werden. Schon jetzt beobachteten die Forscher jedoch erste Auswirkungen des Klimawandels.
Vom 9. Mai bis zum 5. Juni 2008 installierten vier Forscher der Technischen Universität Berlin im Rahmen eines Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) auf der 2.500 Quadratkilometer großen Eiskappe des Vestfonna, einem Gletscher auf der zu Svalbard gehörenden Insel Nordaustlandet, sechs Messstationen. Auf 80 Grad nördlicher Breite sollen sie Daten zu Luft und Schnee sammeln, die Rückschlüsse auf Veränderungen der Eiskappen der Arktis erlauben.
Erste Hinweise auf Klimafolgen
Nun nach Berlin zurückgekehrt, schilderten Professor Dieter Scherer, Roman Finkelnburg, Professor Christoph Schneider und Marco Möller ihre Eindrücke von der Forschungsreise und formulierten erste Thesen darüber, wie die europäischen Gletscher auf die globale Erwärmung reagieren. „Auffällig war, wie stark es im vergangenen Winter geschneit hat“, berichtet Scherer. „Diese heftigen Niederschläge sind bereits ein Hinweis auf die Folgen des Klimawandels.“
Dadurch, dass das Eis der Arktis insgesamt schmilzt, entstünden immer größere offene Wasserflächen, aus denen mehr Wasser verdunsten kann, was letztlich höhere Niederschlagsmengen zur Folge hat. Das deutsche Wissenschaftler-Team hat bereits erste Daten mitgebracht, diese dienen jedoch zunächst der Qualitätssicherung. Die ersten richtigen Messdaten werden dann im August eingesammelt und die Stationen für den Winter vorbereitet.
„Über einen so langen Zeitraum und mit sehr kurzen Messintervallen können wir dann erstmals konkrete Aussagen für dieses Gebiet treffen“, sagt Scherer. Es werde spannend, wie sich die Eiskappen verändern: Wachsen sie entgegen dem allgemeinen Trend wegen der vermehrten Niederschläge im Winter an? Oder führen die auch in der Arktis wärmeren Sommer zu einer höheren Schneeschmelze? Wie schnell verändern die Gletscher fließend ihre Lage?
Genaue Werte über Luft und Eis
An den Messstationen werden die Strahlung, die Windgeschwindigkeit, Temperatur (auch die des Eises und des Schnees), die Feuchte und der Wassergehalt des Schnees gemessen. Die Schneedeckenhöhe im Verlauf des Jahres untersuchen die Forscher mit Ultraschall-Sensorik, die ganz oben an den Stationen angebracht ist. Um zu gewährleisten, dass die Messstation korrekte Daten liefert, wird über Winkelmessungen überprüft, ob die Station noch gerade steht. Per Global Positioning System (GPS) werden vertikale und horizontale Verschiebungen der Stationen und einer Vielzahl weiterer Messstangen registriert.
Die Messstationen hatten die TU-Wissenschaftler selbst konzipiert und in Berlin bereits aufgebaut und getestet. „Lediglich die Sensorik haben wir fertig gekauft“, sagt Scherer. Dann galt es 1.600 Kilogramm Material und 400 Kilogramm Menschen logistisch so zu organisieren, dass Menschen wie Maschinen
unbeschadet im hohen Norden an- und auch wieder zurückkommen.
Kooperation im Eis
Weil das Projekt Bestandteil zweier internationaler Forschungskooperationen im Rahmen des Internationalen Polarjahres 2007/08 mit Beteiligung von mehr als hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus über 17 Ländern ist, konnten Scherer und sein Team Synergieeffekte nutzen. „Die vier Motorschlitten, mit denen jeder von uns etwa 400 Kilometer zurück gelegt hat, konnten wir uns bei den schwedischen Kollegen ausleihen“, erzählt er.
Um es dem Team, das im August die Daten abholt, leichter zu machen, haben Scherer und Co. jetzt schon an den mannshoch im Eis verankerten Messstationen Aluboxen mit Trockennahrung hinterlassen.
Einige Sicherheitsmaßnahmen, so erklärt Doktorand Roman Finkelnburg, hätten sie peinlich genau befolgt: „Eisbären haben einen ausgezeichneten Geruchssinn und steuern zuerst Toiletten und danach die Küche an. Deshalb ist es wichtig, nichts Essbares in den Schlafzelten aufzubewahren, die zusätzlich mit einem Eisbärenzaun gesichert waren.“ So mussten die Signalpistolen zum Glück nur einmal eingesetzt werden, als ein hungriger weißer Petz das Küchenhaus der Basisstation näher untersuchen wollte.
(Technische Universität Berlin, 17.06.2008 – NPO)