Vorzeitliche Jäger waren offenbar doch nicht schuld am Aussterben der Mammuts. Genanalysen von Mammut-Relikten haben jetzt überraschend enthüllt, dass sich die Tiere bereits lange vor Ankunft des Menschen in zwei getrennte, jeweils genetisch verarmte Populationen aufgespalten hatten. Die mangelnde genetische Vielfalt erschwerte ihnen möglicherweise die Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen.
Mit einer neuen, jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlichten Studie haben Wissenschaftler zum ersten Mal die Struktur einer kompletten Population eines ausgestorbenen Säugetiers analysiert, indem sie das vollständige mitochondriale Genom auswerteten. Dafür untersuchten sie die Gene in den Haarresten verschiedener Einzeltiere, die an unterschiedlichen Orten in Nordsibirien gefunden worden waren. Die durch den Permafrostboden teilweise relativ gut konservierten Mammut-Relikte sind zwischen 60.000 und 13.000 Jahre alt.
Haare als Quelle mitochondrialer DNA
Bisher bestand häufig das Problem, dass das Erbgut solcher fossilen Fundstücke zu stark durch Umwelteinflüsse zerstört war, um daraus schlüssige Daten gewinnen zu können. Doch Schuster und seine Kollegen hatten bereits im Vorjahr entdeckt, dass DNA in den Haaren von Mammuts weitaus besser erhalten ist als in Knochen oder Weichteilresten. Gleichzeitig lässt sie sich besser von Verunreinigungen befreien. Sogar aus Museumsstücken, die seit vielen Jahren bei Raumtemperatur aufbewahrt wurden, konnten die Forscher dadurch noch erfolgreich DNA-Proben isolieren.
„Wir haben zudem festgestellt, dass die Erbsubstanz in den Haarschäften stark mit mitochondrialer DNA angereichert ist, dem Typ, der häufig dazu verwendet wird, die genetische Vielfalt einer Population zu bestimmen“, erklärt Stephan C. Schuster, Professor für Biochemie und Molekularbiologie an der Penn State Universität und einer der Leiter der internationalen Forschungsgrupppe.
Mammuts in zwei getrennte Populationsgruppen geteilt
Die Analyse der mitochondrialen Gene brachte gleich mehrere Überraschungen: Zum einen belegte sie eine bisher unbekannte genetische Spaltung der Mammuts: „Die Population war in zwei Gruppen gespalten, eine davon starb bereits vor 45.000 Jahren aus, lange bevor die ersten Menschen in der Region auftauchten”, so Schuster. „Diese Entdeckung ist besonders interessant, weil sie die Jagd durch den Menschen als beitragenden Faktor beim Aussterben der Tiere ausschließt. Damit bleiben Klimawandel und Krankheit als die wahrscheinlichsten Gründe für das Ende der Mammuts.“
Die Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich die beiden Gruppen bereits vor mehr als einer Million Jahren auseinander entwickelten. „Dies entspricht immerhin rund einem Viertel der genetischen Distanz, die die heutigen Elefanten vom Mammut trennt“, erklärt Webb Miller, Professor für Biologie und Computerwissenschaften an der Penn State Universität.
Mammutgruppen genetisch verarmt
Innerhalb der beiden großen Gruppen waren die Einzeltiere offenbar sehr eng miteinander verwandt. „Diese geringe genetische Vielfalt ist überraschend, denn die Mammuts hatten ein sehr großes Verbreitungsgebiet: von Westeuropa über Sibirien und die Beringstraße bis nach Nordamerika“, so Miller. „Diese genetische Verarmung könnte in Zeiten sich verändernder Umwelt und anderen Herausforderungen die biologische Fitness dieser Tiere negativ beeinflusst haben.“
Die Genvariabilität war in den Mammutgruppen damals offenbar ebenso gering wie sie es heute in den sehr kleinen Populationen des Asiatischen Elefanten in Südindien ist. „Die geringe Vielfalt der Elefanten im südlichen Indien gilt als ein Faktor für die Probleme, diese Gruppe als lebensfähige Population zu erhalten“, erklärt Schuster. Interessanterweise sind die mitochondrialen Gensequenzen, die die Forscher für das Mammut entschlüsselten und verglichen inzwischen um einiges vollständiger als die bisher von den heutigen Elefantenarten bekannten.
„Wir planen unsere Technik weiter zu nutzen, um die Geheimnisse der lange erloschenen Populationen zu ergründen und zu lernen, was nötig gewesen wäre, um sie überleben zu lassen“, so Schuster. „Viele von uns haben ein quasi persönliches Interesse daran, so viel wie möglich darüber zu lernen, was eine große Säugetierart zum Aussterben bringt.“
(Penn State University, 13.06.2008 – NPO)