Seit Jahrzehnten rätseln Astronomen darüber wie unsere Milchstraße von außen aussieht. Denn da wir mittendrin sitzen, ist uns die Vogelperspektive verwehrt. Neue Daten des Weltraumteleskops Spitzer haben jetzt prompt für eine Überraschung gesorgt: Denn unsere Galaxie hat offenbar nur zwei Hauptarme statt vier, wie zuvor angenommen wurde.
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Abbildungen und Karten der Milchstraße haben Astronomen bereits seit den 1950er Jahren produziert. Die frühen Modelle basierten auf Radiomessungen der Gasdichte und –verteilung in der Galaxie. Aus diesen Daten ergab sich eine Spiralstruktur mit vier größeren Sternenbildungsregionen, den Hauptarmen Norma, Scutum-Centaurus, Sagittarius und Perseus. Zusätzlich fanden sich nahe dem Galaxienzentrum kleinere Gas- und Staubbänder. In den 1990er Jahren wurden die ersten Modelle noch einmal überarbeitet, da groß angelegte Infrarot-Kartierungen des Himmels die Existenz eines großen Balkens in der Mitte der Milchstraße enthüllten.
Kartierung lückenhaft und widersprüchlich
„Seit Jahren schaffen Menschen Karten der gesamten Galaxie obwohl sie nur einen Teil davon sehen oder nur eine Methode dafür nutzen“, so Robert Benjamin von der Universität von Wisconsin. „Unglücklicherweise stimmten die Modelle der verschiedenen Gruppen nicht immer überein, wenn sie verglichen wurden.“ Der Forscher vergleicht die Situation mit der Untersuchung eines Elefanten durch mehrere Leute mit verbundenen Augen. Jeder befühlt ein anderes Teil des Tieres und kommt zu entsprechend anderen Ergebnissen.
Das Forscherteam der Universität von Wisconsin hat nun Infrarotdaten des Spitzer-Weltraumteleskops der NASA ausgewertet und daraus ein Mosaik aus insgesamt 800.000 Aufnahmen und mehr als 110 Millionen Sternen zusammengestellt. Die Astronomen entwickelten dann eine Software, mit der sie die Sternendichte für alle Orte auf dem Panorama ermitteln konnten.
Nur zwei statt vier Arme
Als die Wissenschaftler die Sternendichte für die Sagittarius und Norma-Arme berechnen wollten, erlebten sie jedoch eine Überraschung: Anstatt in die Höhe zu schnellen, wie beim großen Scutum-Centaurus-Arm, bleiben die Werte bei diesen beiden Armen relativ niedrig. Offenbar ist hier die Sternendichte lange nicht so hoch wie bisher immer angenommen.
Nach Ansicht der Astronomen ist dies ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Milchstraße nur zwei Hauptarme besitzt, die an beiden Ende des zentralen Balkens ansetzen. Beide enthalten große Mengen sowohl von jungen, hellen Sternen als auch von älteren Roten Riesen. Die beiden kleineren Arme Norma und Sagittarius dagegen sind mit Gas und vorwiegend jungen Sternen gefüllt.
Neues Bild der Milchstraße
Die neuen Ergebnisse bestätigen frühere Infrarot-Studien, die ebenfalls bereits Hinweise auf eine nur zweiarmige Milchstraße ergeben hatten, deren Daten aber noch zu ungenau waren um dies endgültig zu belegen. „Jetzt können wir die Struktur, Position und Breite der Arme zum ersten Mal kartieren“, erklärt Benjamin. „Spitzer hat uns einen Startpunkt geliefert, um die Struktur der Milchstraße neu zu überdenken. Aber wir werden unser Bild auf die gleiche Weise immer wieder erneuern, wie auch die alten Entdecker ihre Karten anpassten, als sie um den Globus segelten“
Das wird vermutlich auch nötig sein, denn die Galaxienstruktur ist keineswegs statisch. Allein unsere Sonne, die heute in der Nähe des kleinen, nur teilweise ausgebildeten Orion-Arms zwischen Sagittarius und Perseus liegt, ist im Laufe ihrer Lebenszeit 16 Mal rund um die Milchstraße gewandert. Sie könnte dabei zwischenzeitlich auch in einem ganz anderen Arm als heute gelegen haben. Ähnliche Wanderungen führen auch die anderen Sterne durch und verändern so im Laufe der Zeit die Struktur und Zusammensetzung ihrer Heimatgalaxie.
(NASA/JPL, 05.06.2008 – NPO)