Während die sportlichen Leistungen von Menschen gut erforscht sind, existieren bislang nur wenige Daten über die „Athleten der Lüfte“ – die Zugvögel. Ein österreichisches Forscherteam nutzt nun die Chance, eine Schar Waldrappen auf ihrem Zug über die Alpen zu begleiten und dabei die Trainingseffekte des Dauerfliegens genau zu untersuchen.
Seit 2002 stehen für Biologen unter Leitung von Johannes Fritz von der Universität Wien Waldrappen im Mittelpunkt. Ziel ihres Projekts „Waldrappteam“ ist es, die zu den Ibisvögel gehörenden Waldrappen, die seit rund 350 Jahren im Alpenraum ausgestorben sind, wieder in Mitteleuropa anzusiedeln. Da es sich um Zugvögel handelt, die ihre Flugroute von den Eltern erlernen – im Gegensatz zu vielen anderen Vogelarten, die von Geburt an über ein „inneres GPS“ verfügen -, wird ihnen die Route von den Biologen mit Ultra-Leichtfliegern gezeigt. Ohne die Wanderung in den Süden überleben sie den Winter in den Alpen nicht, da sie keine Nahrung finden würden. Für den fünften geplanten Vogelzug, der im August 2008 starten soll, laufen bereits die Vorbereitungen.
Eskorte über die Alpen
Diese „Flugschule“ bietet nun auch eine einmlaige Gelegenheit, die körperliche Leistungsfähigkeit der Zugvögel auf ihrem Flug genau zu untersuchen. „Wir können direkt mit den ‚Athleten der Lüfte‘ zusammenarbeiten. So eine Chance hatten wir noch nie“, freut sich John Dittami, Leiter des Departments für Verhaltensbiologie an der Fakultät für Lebenswissenschaften. „Wir werden eine Gruppe von Waldrappvögel auf ihrer rund 1.200 Kilometer langen Reise von Deutschland nach Italien begleiten und dabei ihre sportliche Leistung anhand von Lungenanpassung, Blut-, Fett- und Energiemessungen genau untersuchen.“
Im Zuge des FWF-Projekts „Flugphysiologie ziehender Waldrappen“ werden Dittami und sein Team ihre Schützlinge von Geburt an begleiten und physiologische Daten sammeln. Gerade die Datennahme vor der Migration liefert wichtiges Vergleichsmaterial für die Datennahme während des Vogelzuges. „Die Messung von physiologischen Parametern an migrierenden Vögeln ist eine innovative Methodik. Die Ergebnisse sollen auch helfen, die von uns Menschen geleitete Migration besser auf die Bedürfnisse der Vögel abzustimmen“, erklärt Johannes Fritz.
Welchen Trainingseffekt hat der Vogelzug?
„Ein Vogelzug ist eine enorme sportliche Leistung. Wir möchten dabei zwei Aspekte genau untersuchen: die Entwicklung einer körperlichen Prädisposition und den Trainingseffekt während der Migration“, sagt Dittami. „Die Trainingseffekte wurden noch nie gemessen, ich denke aber, dass gerade diese enorm wichtig sind.“
Aus der Sportmedizin ist bekannt, dass richtig geplante Ruhephasen für eine Leistungssteigerung essenziell sind. „Die menschliche Physiologie ist von der eines Vogels gar nicht so verschieden“, so Dittami. „Daher nehme ich an, dass auch die Zugvögel während der Erholungsphasen im Zuge der Migration ihre Leistungsfähigkeit steigern.“
Im Sprint nach Italien
Die heute noch frei lebenden Waldrapp-Kolonien in Syrien legen auf ihrem Zug in ihr Winterquartier in Äthiopien rund 3.500 Kilometer zurück. „Durch eine Anpassung an die Windverhältnisse wird der Weg für diese Wildvögel erleichtert. Unsere Vögel haben es schwerer. Obwohl es ’nur‘ 1.200 Kilometer von Burghausen bis in die Toskana sind, ist es dennoch eine enorme sportliche Leistung.“ Die Waldrappen fliegen ohne Gleitflug Tagesetappen bis zu 120 Kilometer mit fast 40 km/h hinter einem Leicht-Fluggerät, das nicht langsamer fliegen kann. „Unsere Vögel werden in rund 30 Tagen einen richtigen Sprint nach Italien durchführen“, so Dittami abschließend.
(Universität Wien, 15.05.2008 – NPO)