Die Tier- und Pflanzenwelt Madagaskars sind weltweit einzigartig, aber auch stark gefährdet: Die Zerstörung ihres tropischen Lebensraumes schreitet rapide und ungebremst voran. Ein internationales Forscherteam hat jetzt erstmals die wichtigsten Gebiete berechnet, die zur Rettung tausender spektakulärer Tier- und Pflanzenarten unter Schutz gestellt werden müssen. Das berichtet das Wissenschaftsmagazin „Science“ in seiner aktuellen Ausgabe.
Die 22 Wissenschaftler, darunter Forscher aus Braunschweig und München, haben die Verbreitungsgebiete von tausenden einzigartigen Tieren und Pflanzen analysiert. Ihr Ziel ist es, Politiker und Wissenschaftler bei der Planung künftiger Artenschutzgebiete zu unterstützen. Die Basis dafür waren jahrelange Expeditionen in den tropischen Regenwäldern, Bergregionen und Dornwüsten Madagaskars, um die Verbreitung dieser Arten festzustellen.
Computermodelle für die Landkarte der schützenwerten Arten
Mit einem neuartigen computergestützten Verfahren wurden dann die genauen Verbreitungsgebiete jeder einzelnen Art modelliert und mit einer eigens entwickelten Software gemeinsam analysiert. Die Analyse zeigte, dass keine der verschiedenen Organismengruppen alleine ausreichte, um als Modell für alle anderen Gruppen zu dienen und deren Schutz sicherzustellen. Allein bei der gemeinsamen Analyse aller Gruppen konnte ein Modell entwickelt werden, welches bei einer minimalen Ausweitung der Schutzgebietsfläche einen Schutz aller Arten sicherstellte.
Die nun durchgeführte Prioritätensitzung von Schutzgebieten ist die bislang weltweit umfangreichste Analyse dieser Art. Für kein anderes tropisches Land liegt eine ähnlich detaillierte Datenbasis vor. Die hier entwickelten Methoden können als Modell dienen, um Naturschutzplanung in anderen Ländern zu betreiben.
400 Froscharten, die Hälfte bisher unbekannt
Professor Miguel Vences von der Technischen Universität Braunschweig stellte dabei zusammen mit seinem Kollegen Frank Glaw, Zoologische Staatssammlung München, die Daten zu den Amphibien zusammen. Sie sind, so Vences, eine besonders kritische Tiergruppe. Etwa 400 Froscharten haben die deutschen Forscher bislang auf Madagaskar inventarisiert. Zum Vergleich: In Deutschland leben auf einer vergleichbaren Fläche nur zwölf
Arten.
Besonders spektakulär: „Nach unseren Forschungsergebnissen sind beinahe die Hälfte dieser 400 Arten in Madagaskar der Wissenschaft bislang unbekannt gewesen. Sie besitzen noch keinen wissenschaftlichen Namen und keine von ihnen kommt außerhalb Madagaskars vor“, erläutert Vences.
Die computerbasierte Landkarte ist ohne den extremen Einsatz der Forscher vor Ort nicht möglich: „Es ist nur schwer vorstellbar, welche Strapazen es bedeutet, während der Regenzeit diese Arteninventare auf Madagaskar durchzuführen“, berichtet er. „Die verbleibenden natürlichen Lebensräume auf der Insel sind häufig weitab jeglicher menschlicher Siedlungen. Das bedeutet: Fußmärsche von über 30 Kilometern durch oft wegloses Terrain.“
Um die gefundenen Arten fehlerfrei bestimmen zu können, geht es danach noch weiter: Die Braunschweiger Forscher verwenden molekulargenetische Methoden, um eine eindeutige Zuordnung der gesammelten Proben zu erzielen.
Artenvielfalt auf Madagaskar
Madagaskars Landesfläche entspricht in etwa derjenigen von Deutschland. Etwa 20 Millionen Menschen leben auf dieser Insel, die zu den ärmsten Ländern weltweit gehört. Der größte Teil der Bevölkerung Madagaskars lebt von der Landwirtschaft. Zur Gewinnung neuer Ackerflächen sowie Bau- und Brennholz werden die verbleibenden natürlichen Lebensräume – tropische Regenwälder, Bergwälder, Trockenwälder und trockene Dornbuschwüsten – immer weiter zerstört.
Bereits im Jahr 2003 hat Madagaskars Präsident Ravalomanana eine Erweiterung der Schutzgebiete seines Landes um zwei Drittel (auf insgesamt zehn Prozent der Landesfläche) angekündigt. Dieser vorbildliche Plan hat bereits eine große Zahl zusätzlicher Gebiete identifiziert, die bereits in diesem Jahr als Schutzgebiete ausgewiesen werden sollen.
Geschützt werden dabei nicht nur die allseits bekannten Lemuren – die beliebten Halbaffen mit katzenartiger Schnauze und einem häufig langen, buschigen Schwanz – sondern auch eine Vielzahl von Fröschen, Geckos, Insekten, Orchideen und sukkulenten Pflanzen (zum Beispiel aus der Gruppe der Pachypodien). Forscher schätzen, dass im Schnitt 80 Prozent der Arten in allen diesen Tier- und Pflanzengruppen nirgendwo sonst auf der Welt vorkommen.
(idw – Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, 14.04.2008 – DLO)