Einen Supra-Isolator oder genauer gesagt, einen bislang unbekannten supra-isolierenden Zustand der Materie hat jetzt ein internationales Wissenschaftlerteam entdeckt. Damit wurde die Annahme widerlegt, dass ein perfekter Isolator nur theoretisch, das heißt am prinzipiell unerreichbaren absoluten Nullpunkt der Temperatur bei -273° C existieren kann. Die Ergebnisse lassen sich beispielsweise für neuartige Schalter in Verbindung mit Quanten-Bits anwenden, so die Wissenschaftler in „Nature“.
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Die Physiker um Professor Christoph Strunk von der Universität Regensburg und Mikhael V. Fistul von der Ruhr-Universität Bochum beobachteten bei einem dünnen, ungeordneten Titan-Nitrid-Film den Übergang von einem gewöhnlichen Isolator-Zustand zu einem Supraisolator. Der Übergang geschieht bei sehr niedrigen Temperaturen von circa 20 Millikelvin (mK), also nahe dem absoluten Nullpunkt, wobei sich die Temperatur des Phasenübergangs durch ein äußeres Magnetfeld variieren lässt.
Faszination Phasenübergang
Ein alltägliches Beispiel für einen Phasenübergang, eine plötzliche Änderung von Systemeigenschaften bei einer kleinen Änderung der Temperatur oder eines anderen Systemparameters, ist der Übergang von flüssigem Wasser zu Wasserdampf. In der Festkörperphysik kennt man außerdem den Übergang zwischen den ferromagnetischen und paramagnetischen (nicht magnetischen) Phasen von magnetischen Materialien am Curie-Punkt und das Erscheinen der Supraleitung bei der Abkühlung des Systems unter eine kritische Temperatur (Nobelpreis für Heike Kamerlingh-Onnes 1913).
Auch der Nobelpreis 2001 wurde für die Entdeckung eines Phasenübergangs, die Bose-Einstein Kondensation in verdünnten Gasen, verliehen. „Phasenübergänge gehören zu den erstaunlichsten in der Natur beobachteten Phänomenen“, so Fistul, „viele Physiker träumen davon, einen neuartigen Typ von Phasenübergang vorherzusagen und zu beobachten.“ Ganz unerwartet erfüllte sich der Traum jetzt in der Arbeit des internationalen Teams.
Kleine supraleitende Körnchen
Die Experimentalisten der Gruppe beobachteten, dass dünne ungeordnete Titan-Nitrid(TiN)-Filme, die sehr kleine supraleitende Körnchen von einer Größe um 40 Nanometer (nm) enthalten, einen äußerst hohen Widerstand bei Temperaturen in der Nähe von 70 mK zeigen. Dieser Zustand ist ein gewöhnlicher Isolator-Zustand. Wenn jedoch die Temperatur auf 20 mK gesenkt wird, geht der Film in einen neuartigen Supraisolator-Zustand über: Der Widerstand wird so hoch, dass der Strom für endliche Vorspannungen unmessbar klein wird.
Die kritische Temperatur dieses Phasenübergangs lässt sich durch ein äußeres Magnetfeld abstimmen. Der Phasenübergang zwischen Isolator und Supraisolator entspricht dem bekannten Phasenübergang vom Leiter zum Supraleiter: Beide werden von der Temperatur und dem Magnetfeld kontrolliert.
„Nur ist die supraleitende Phase durch einen Nullwiderstand gekennzeichnet, während die Supraisolator-Phase Nullleitfähigkeit zeigt“, erklärt Fistul. Der supraleitende Zustand kann durch einen eingeprägten Gleichstrom, der Supraisolator-Zustand durch eine Gleichspannung zerstört werden.
Winzige Pendel bei großer Kälte
Die Theoretiker des Teams konnten das faszinierende Phänomen erklären. Sie verwendeten als Modell ein Netz von kleinen supraleitenden Inseln, wobei jede mit ihren nächsten Nachbarn durch schwache sog. Josephson-Verbindungen verbunden war.
„Jeder dieser Josephsonkontakte wird als ein winziges Pendel angesehen, dessen Dynamik durch quantenmechanische Gesetze bestimmt ist“, erklärt Fistul. Diese Pendel sind miteinander verkoppelt durch die so genannte Coulomb-Wechselwirkung. Sind die Pendel synchronisiert, fließt kein Gleichstrom mehr: Das Material wird zum Supraisolator. Ein Fluss von Gleichstrom, und damit die Zerstörung des Supraisolators, ist nur dann möglich, wenn der synchronisierte Zustand durch inkohärentes Hüpfen der Elektron-Paare zwischen den Inseln durchbrochen wird.
Bei niedrigen Temperaturen ist ein derartiges Hüpfen wegen der Coulomb-Blockade Effekte ein äußerst unwahrscheinliches Ereignis. Dadurch wird der Gleichstrom sehr klein und das Material tritt bei sehr niedrigen Temperaturen in den Supraisolator-Zustand ein. Durch Anlegen eines Magnetfeldes und/oder einer externen Vorspannung ist es möglich, die Wahrscheinlichkeit der Desynchronisation zu vergrößern und das System in den gewöhnlichen Isolator-Zustand zu treiben.
(idw – Ruhr-Universität Bochum/Universität Regensburg, 04.04.2008 – DLO)