GeoUnion

Rohstoffe aus Handarbeit

Klein-und artisanaler Bergbau – wozu?

Kleinbergbau auf Coltan in Mosambik © Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)

Riesige Bagger, Hightech-Fördertürme, hochmoderne Schürf- und Planiergeräte: So oder so ähnlich stellt man sich heute die Rohstoffförderung weltweit vor – normalerweise. Doch es gibt auch noch einen Bergbau, der fast ganz ohne maschinelle Hilfsmittel auskommt und nur im geringen Umfang mechanisiert ist. Dieser artisanale oder Kleinbergbau spielt aber eine wichtige Rolle in der globalen Rohstoffversorgung und schafft Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung in Entwicklungsländern.

„Kaum einer in Deutschland weiß, dass Bergbau im kleinen Maßstab überall auf der Welt anzutreffen ist“, sagt Jürgen Vasters von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). „Mit seiner Produktion trägt er – neben dem Großbergbau – aber in erheblichem Maße zur Versorgung der industrialisierten Länder mit Rohstoffen bei.“

Nachhaltige Entwicklung oder Umweltzerstörung?

Zwar generiert der Bergbau insgesamt nur rund 1,5 Prozent (%) des weltweiten Bruttosozialprodukts, seine Erzeugnisse bilden aber die unverzichtbare Grundlage für die nachfolgende industrielle Produktion.

„Internationale Bergbaufirmen arbeiten heute überwiegend nach eigenen strengen Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards. Sie können sich schon aus Imagegründen heute keine Umweltskandale mehr leisten, abgesehen von den hohen Kosten für Sanierungen“ so Peter Buchholz.

Kleinbergbau ernährt 100 Millionen Menschen

Weltweit sind rund 15 Millionen (Mio.) Menschen direkt im artisanalen und Kleinbergbau beschäftigt. Wissenschaftler schätzen aber, dass insgesamt sogar 100 Mio. Menschen existentiell davon abhängig sind. Zum Vergleich: Der industrielle Bergbau beschäftigte zur Jahrtausendwende weltweit lediglich sieben Mio. Menschen.

„Der Anteil des Kleinbergbaus wächst vor allem in Regionen, die von Konflikten und militärischen Auseinandersetzungen betroffen sind. Allein in der Demokratischen Republik Kongo gibt es vermutlich zwei Mio. artisanale Bergleute und rund zehn Mio. vom Kleinbergbau abhängige Menschen – das sind rund 20 % der Gesamtbevölkerung“, macht Jürgen Vasters, der ebenfalls an der BGR tätig ist, deutlich.

Diese haben bis vor kurzem je nach Rohstoff zwischen 80 und 100 % der kongolesischen Gesamtrohstoffproduktion gefördert. Vor allem die Produktion der Edelmetalle Gold und Silber sowie auch die in der Elektroindustrie und Stahlveredelung einsetzbaren Metalle Zinn, Tantal, Wolfram und Kobalt stammen dort zu einem relativ hohen Anteil aus der artisanalen Produktion.

Bergbau als alternative Einkommensquelle

Die Ursache für diesen „Boom“ liegt auf der Hand: Der Kleinbergbau ist eine alternative Einkommensquelle für die Masse der Arbeitslosen oder Unterbeschäftigten in Entwicklungsländern wie dem Kongo. Die erzielbaren Einkünfte in diesem Sektor liegen – zumindest im Gold- und Diamantenbergbau – weit über dem Durchschnittseinkommen von vergleichbaren, eher ländlich geprägten Regionen.

„Im Kleinbergbau verdienen die Menschen circa drei US-Dollar pro Tag, in der Landwirtschaft sind es in vielen Ländern Zentralafrikas dagegen nur 60 Cents“, erklärt der BGR-Rohstoffexperte Frank Melcher. Diesen positiven, armutsmindernden Effekten des Kleinbergbaus stehen in vielen Fällen aber negative Auswirkungen auf Umwelt, Gesundheit und soziales Umfeld gegenüber.

Unfälle, Kinderarbeit, Abhängigkeit

„Der Kleinbergbau trägt auch in hohem Maße zum informellen und illegalen Handel mit Rohstoffen bei. Obwohl die meisten Berggesetze den artisanalen Bergbau theoretisch regeln, ist der Einfluss der gesetzlichen Bestimmungen auf den Sektor in der Realität sehr gering“, so Melcher. „Die Arbeitsbedingungen sind schlecht, Kinder- und Zwangsarbeit sind üblich. Die mangelnde Arbeitssicherheit führt darüberhinaus häufig zu Unfällen.“

Doch damit nicht genug: Die Bergleute werden oftmals auch von einem Händler während der Anfangsphase ihrer Tätigkeit zwischenfinanziert und sind später dann gezwungen, dieses Darlehen abzuarbeiten – eine langfristige Abhängigkeit ist die Folge.

Ein weiteres Entwicklungshemmnis stellt der fehlende Zugang zu freien Märkten für die artisanale Produktion dar, der durch den häufig katastrophalen Zustand der Verkehrswege noch verschlechtert wird. Aufkäufern vor Ort gibt dies die Möglichkeit, die Preise noch stärker zu diktieren als ohnehin. Da der Zwischenhandel für die Geschäftsabwicklung auch in Krisenregionen ein gesichertes Umfeld benötigt, erkaufen sich Händler zudem häufig von den jeweiligen politischen und militärischen Machthabern ihren Schutz. Diese Umverteilung des Profits aus der Rohstoffgewinnung kann wiederum der Förderung von Konflikten dienen.

Ein Masterplan für den Kleinbergbau

Doch wie kann man diese Probleme in den Griff bekommen? Und: Gibt es Möglichkeiten, den Bergleuten vor Ort bessere Einnahmen zu verschaffen? „Die Zertifizierung von Handelsketten im Bereich mineralischer Rohstoffe ist deshalb ein neues Instrument der Rohstoffpolitik. Ziel der Maßnahme ist einerseits die Erhöhung der Versorgungssicherheit für die Industrie, andererseits die Erschließung von Rohstoffpotentialen zur Minderung der Armut und zur Konfliktvermeidung in Entwicklungsländern“, erklärt Melcher.

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm ein Konzept erarbeitet, das versucht, die Einhaltung von sozialen und ökologischen Mindeststandards im Kleinbergbau, insbesondere in Konfliktregionen, sicherzustellen. In der Gipfelerklärung der G8-Staaten wurde das Thema unter Artikel 86 prominent aufgenommen.

Umwelt- und sozialkompatibler Kleinbergbau

Eine Zertifizierung von Handelsketten erlaubt die Unterscheidung von legalem und illegalem Handel und sorgt dafür, dass der Weg zwischen den kleinen Rohstoffproduzenten in den Entwicklungsländern und dem industriellen Rohstoffabnehmer direkter gestaltet wird. Auf lokaler Ebene verbessert die Umsetzung der geforderten umwelt- und sozialverträglichen Produktionsstandards die Beziehungen zwischen Bergbau und Bevölkerung in den Kommunen, in denen der Bergbau stattfindet.

Der Kleinbergbau wird dadurch umwelt- und sozialkompatibel, die Abgaben- und Dokumentationspflicht gegenüber dem Staat ist erfüllt und der Kleinbergbau wird in die lokale Wirtschaft eingebunden.

Coltan-Konzentrat aus Brasilien © Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)

Coltan-Bergbau finanziert Bürgerkriege

Wie sehr der Kleinbergbau zur Destabilisierung einer Region beitragen kann, hat die Gewinnung von Coltan im Ostkongo zur Zeit des Bürgerkriegs gezeigt. Dort wurde dieser Sektor damals von militärischen Milizen kontrolliert und ausgebeutet. „Sie vergaben Lizenzen und erhielten dafür Tagesgebühren und Abgaben aus der Produktion – oft bis 30% des gesamten Förderwertes“, beschreibt Vasters die Situation. „Die Einnahmen waren aber für diese Gruppen die größte Finanzierungsquelle und dienten somit der Fortsetzung des militärischen Konflikts.

Die UNO, die diesen Zusammenhang erkannte, sanktionierte daraufhin die Vermarktung von Tantal aus dem Kongo. Das führte aber vor allem zu einem vermehrten Rohstoffschmuggel und als Konsequenz geriet auch der völlig legale Tantalbergbau in den Anrainerstaaten des Kongo in Misskredit.

Mehr Transparenz durch angewandte Forschung

Politiker, Wirtschaftsfachleute und Rohstoffexperten begannen daraufhin damit, die Möglichkeiten zertifizierter Handelsketten sowie eines analytischen Herkunftsnachweises – dem so genannten geochemischen Fingerprint – für mineralische Rohstoffe aus dieser Region auszuloten. Die Bundesministerien für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und für Wirtschaft und Technologie (BMWi) beauftragten die BGR, entsprechende Studien durchzuführen.

Nie wieder „Blutcoltan“?

Hinter „Coltan“, auch als „schwarzes Gold“ bezeichnet, verbergen sich Konzentrate mit hohen Gehalten von Tantal und Niob, die vorzugsweise als Columbit-Tantalit-Minerale auftreten. Der weltweite Bedarf von circa 1.400 Tonnen Tantaloxid wurde 2006 durch Australien (61%), Brasilien (18%), Kanada (5%) und afrikanische Länder (16%) gedeckt. Die Coltan-Konzentrate bestehen aus einer Vielzahl von Mineralphasen, die wiederum variable chemische Zusammensetzungen haben.

Parameter des Herkunftsnachweises von Coltan © Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)

Die BGR bestimmt nun in einer Pilotstudie alle nach dem Stand der Technik messbaren Parameter, und filtert aus ihnen solche heraus, die Abgrenzungen von Liefergebieten erlauben. Auf der Basis einer Datenbank werden Proben unbekannter Herkunft dann Lagerstättenprovinzen, -distrikten und –lokalitäten zugeordnet. Besonders wichtige Parameter sind das Alter der Columbit-Tantalitkristalle, deren Haupt- und Spurenelementchemie, sowie die Mineralogie der Konzentrate.

„Die Ergebnisse des BGR-Projektes deuten darauf hin, dass in Zukunft Lieferungen fragwürdiger Herkunft mittels moderner analytischer Methoden an ihren Ursprungsort zurückverfolgt werden können. Die Verfahren, die wir zurzeit entwickeln, sollen die Transparenz der internationalen Rohstoffmärkte erhöhen und einen Beitrag liefern zu zertifizierten Handelsketten, in einem ersten Schritt für Tantalerze“, prognostiziert der BGR-Experte Melcher. „Der Handel von ‚Blutcoltan‘ soll damit weiter eingedämmt und sanktioniert werden können.“

Links:

Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

Coltan: Herkunftsnachweis von Columbit-Tantaliterzen

(Frank Melcher, Peter Buchholz und Jürgen Vasters, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), 28.03.2008 – DLO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Kalk - Über eine ungewöhnliche Allianz aus Wasser und Stein

Salz - Weißes Gold im Zwielicht?

Bücher zum Thema

keine Buchtipps verknüpft

Top-Clicks der Woche