Einem Wissenschaftlerteam ist es gelungen, erstmals Coronaviren in europäischen Fledermäusen nachzuweisen. Die jetzt in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Emerging Infectious Diseases vorgestellten Ergebnisse belegen damit, dass auch außerhalb von China Coronaviren in dieser Tiergruppe vorkommen. Für das SARS-Coronavirus, den Erreger von SARS, ist ein Ursprung in chinesischen Fledermäusen sehr wahrscheinlich. Die nun in Deutschland gefundenen Viren sind mit dem gefährlichen SARS-Erreger aber nur entfernt verwandt.
Im vergangenen Sommer wurden bei Untersuchungen im Raum Bad Segeberg 315 Fledermäuse von sieben verschiedenen Arten auf das Vorkommen von Coronaviren im Kot getestet. Dabei wurden bei knapp zehn Prozent der Tiere Gruppe I-Coronaviren nachgewiesen (der Erreger von SARS ist ein Gruppe II-Coronavirus). Die neue Studie liefert erstmalig Hinweise darauf, wie sich die Viren in den Fledermäusen halten und verteilen. Ohne dass die Tiere an offensichtlichen Symptomen leiden, scheint das Virus sich eher bei Jungtieren zu verbreiten, beispielsweise wie Erkältungsviren beim Menschen.
Vor allem Jung- und Muttertiere infiziert
Dieses Ergebnis erbrachte die systematische Untersuchung verschiedener Altersklassen der Fledermäuse. Biologen und Mediziner des Noctalis – Fledermaus-Zentrums Bad Segeberg, des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin, Hamburg, und des Instituts für Virologie des Universitätsklinikums Bonn stellten die höchsten Viruslasten bei Jungtieren und den dazugehörigen Muttertieren in den untersuchten Wochenstubenkolonien fest. Es gibt nach Angaben der Forscher jedoch keinerlei Hinweise darauf, dass die in Schleswig-Holstein nachgewiesenen Viren in irgendeiner Form für den Menschen gefährlich sein könnten.
„In dieser Studie hat sich sehr deutlich gezeigt, wie wichtig die fächerübergreifende Kooperation zwischen medizinischen Virologen und Ökologen ist“, sagte Professor Dr. Christian Drosten, Leiter der Studie und des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn. Drosten koordiniert ein Verbundprojekt zum Thema „Ökologie und Pathogenese von SARS“, welches vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.
Die Untersuchung der Ökologie von Coronaviren soll dazu beitragen, das Risiko erneuter Epidemien zu bewerten und langfristig vielleicht auch die Viren in ihrem natürlichen Wirtstier einzudämmen. Dies ist eine zentrale Problematik in der Erforschung von Zoonosen – Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übergehen und dort regelhaft Epidemien hervorrufen.
Alte Bekannte
Coronaviren (Coronaviridae) sind eine seit langem bekannte Virusfamilie. Die Bedeutung von Coronavirus-Infektionen beim Menschen hat sich durch das Auftauchen des SARS-Coronavirus dramatisch erhöht. Dennoch sind die meisten Coronaviren für den Menschen relativ ungefährlich. Sie sind beispielsweise verantwortlich für Erkältungskrankheiten mit leichtem Fieber, Schnupfen, Husten und Halsschmerzen. Selbst klinisch gesunde Menschen können mit dem Stuhl eine große Anzahl dieser Viren ausscheiden.
Wirklich gefährlich für den Menschen sind vermutlich nur die SARS-Coronaviren. Diese haben sehr wahrscheinlich durch Mutation die Speziesbarriere Fledermaus – Mensch durchbrochen und sind für eine meist tödliche Lungenerkrankung beim Menschen verantwortlich. Auch in der Veterinär-Medizin spielen Coronaviren eine wichtige Rolle. Sie lösen bei Schweinen, Katzen, Rindern und Hunden schwere Magen- und Darm-Infekte, Entzündungen des Bauchfells und Lungenentzündungen aus. Vögel und Hühner erkranken durch Coronaviren an Bronchitis.
(idw – Universität Bonn, 20.03.2008 – DLO)